Interview mit Celia Kuch:
“Alles, was übers Knie gebrochen wird, rächt sich am Ende!”
Celia Kuch ist Profi-Triathletin, Diplom-Sportwissenschaftlerin M. Sc., A-Trainerin (DTU/DOSB) für Triathlon Langdistanz-Leistungssport sowie Personal Trainerin. 2013 wurde sie Vize-Europameisterin (Elite | Langdistanz) und ein Jahr später Deutsche Vizemeisterin im Duathlon, ebenfalls auf der Langdistanz.
Celi, ist der 19. Platz von Caro ein überraschendes Ergebnis oder steckt da jahrelange harte und konsequente Arbeit dahinter?
Auf jden Fall ist es ein sehr erfreuliches und verdientes Ergebnis.Vor einer Langdistanz kann man maximal vage Vermutungen aussprechen, was am Tag X passiert, ist im Vorfeld leider nie berechenbar. Zudem war es Caros erste Langdistanz. Auch wenn man aufgrund der Leistung im Training und Vorbereitungswettkämpfe schon eine Idee hat, wo die Reise hingeht, ist der erste Wettkampf definitiv noch damit “behaftet”, den Körper an die Distanz heranzuführen und steht daher unter der Premisse, das Ding erstmal ins Ziel zu bringen. Je mehr Erfahrung man schon hat, desto besser kann man im Rennen feinjustieren. Caro hat vieles im Training und in ihren Rennen immer auf Anhieb perfekt umgesetzt, daher ist das Endergebnis rückblickend betrachtet, nicht wirklich überraschend. Aber auf jeden Fall sehr, sehr erfreulich.
Celi, Caro hat nach dem Schwimmen kurzzeitig das Frauenfeld angeführt. Was ist dir durch den Kopf gegangen, als dir die Info im Rennen zugerufen wurde?
Ich war gerade am Heartbreak Hill in Bad Vilbel als mir ein gemeinsamer Bekannter zuschrie, „die Caro führt das Rennen an!“ Den kompletten Anstieg über habe ich im Kopf gerechnet, ob es möglich ist, dass Caro sich mit acht Minuten Rückstand auf das Profifeld beim Start tatsächlich komplett an die Spitze gesetzt haben könnte. Ich wusste, dass Daniela Ryf vorne durch ihren Ausstieg quasi Platz gemacht hatte, und hatte irgendwie selbst schon damit gerechnet, dass Caro auf jeden Fall, trotz acht minütigem Rückstand, vor mir auf dem Rad sein würde. Die Führung auf den ersten Radkilometern inne zu haben, oder zumindest im Profifeld der Frauen mitzufahren ist für Caro aber tatsächlich nichts Neues. Das hat sie schon mehrfach aufgrund ihrer Schwimmstärke und guten Radleistungen gezeigt, unter anderem im Kraichgau und am Walchsee, wo sie trotz 5-minütigem Rückstand nach vorne in die Profi-Frauengruppe (und daran vorbei) geschwommen ist.
Celi, wie geht man als Trainerin mit einer solchen Situation bzw. mit einem solchen Rennen um? Du musstest dich ja auf dein eigenes Rennen konzentrieren oder?
Da Caro ein sehr willensstarker und ehrgeiziger Mensch ist, wusste ich, dass sie ihr Ding durchziehen wird. Im Training hat zuvor wirklich auch alles gestimmt und ich habe bei den gemeinsamen Einheiten deutlich gespürt, wie viel Power in Caro steckt. Daher hatte ich volles Vertrauen, dass sie ein gutes Rennen macht. Hilfreich ist auch Caros unglaublich großer Supporterkreis bestehend aus Freunden und Familie … und die waren wirklich überall an der Strecke. Vom Schwimmstart bis zum Marathon. Unglaublich. Aber natürlich habe ich innerlich sehr gehofft, dass sie ein gutes Rennen hat. Ich war im Kopf die ganze Zeit bei ihr und bei meiner zweiten Starterin Jenny, die ebenfalls ein tolles Rennen ins Ziel gebracht hat. Man kann nicht alles kontrollieren. Wetter, unkontrolliert fahrende Mitstreiter auf der vollgepackten Radstrecke, Zuschauer die unvorsichtig die Straßen queren, Radflaschen die über den Asphalt kullern, Pannen etc. können jedem ungewollt zum Verhängnis werden, ob erste oder 100. Langdistanz. Aber toi toi toi – es ist ja alles mehr als gut gegangen.
Hattet ihr einen genauen Marschplan für die ganze Strecke ausgearbeitet – inklusive Ernährungsplan und wie seid ihr bei der Planung vorgegangen?
Normalerweise arbeite ich für meine Athleten, sowie für mich selbst, tatsächlich einen Marsch- und Ernährungsplan aus. Hauptsächlich in Hinblick darauf, dass man sich zu Beginn des Rennens, wenn man sich noch gut fühlt, nicht gleich zu sehr verausgabt und Körner verschießt, die man später dringend braucht. Aber das kommt auch auf den Athleten an. Caro und und auch Jenny hätte ein Marschplan unnötig durcheinander gebracht, beide haben ein unglaublich gutes und realistisches Gespür für den eigenen Körper. Ganz ehrlich glaube ich eh, dass wir Frauen uns eher unsere Grenzen eingestehen und sie nicht erst deutlich spüren müssen, um in die Realität zurück geholt zu werden – wenn es dann meistens schon zu spät ist, um die Gesamtperformance noch aufrecht zu erhalten. Caro hat als ehemalige Leistungsschwimmerin einfach schon ein sehr gutes Körpergefühl und macht nun auch schon seit einiger Zeit Triathlon. Zudem hat Caro einmal in Malterdingen bitter am eigenen Leib erfahren müssen, was passiert, wenn sie überpaced. Sie hat das Mitteldistanz-Rennen angeführt und viel zu lange viel zu hart aufs Gas gedrückt, da sie wusste, dass Almuth Grüber hinter ihr ist, die die bessere Läufrein ist. Bei Kilometer 16 des abschließenden Halbmarathons musste Caro aussteigen, weil gar nichts mehr ging. Ein DNF ist eine ganz unschöne Sache. Für einen ehrgeizigen Athleten – erst recht, wenn man das Rennen hätte gewinnen können. Das war letztes Jahr und ich hatte Caro zum Trost noch gesagt, dass das eine sehr wertvolle Erfahrung sein wird. Jetzt wusste sie, wo ihre Grenze ist. Ein gleichmäßiges Pacing ist eben immer noch das schnellste Pacing. Wenn es irgendwann um die Platzierung geht, muss man ein eher taktisch bestimmtes Rennen auch im Training entsprechend trainieren.
Bei der Wettkampfernährung bin ich persönlich, was mein Rennen angeht, der absolute Controlfreak. Alles wird berechnet und getimed. Aber ich brauche das so für meinen Kopf. Erstens will ich nichts dem Zufall überlassen und zweitens ist es auch im Wettkampf gut, wenn man konstant beschäftigt ist. Das hilft, immer präsent und damit konzentriert und fokussiert zu bleiben. Ein zu stringent ausgearbeiteter Plan kann einen Athleten auch stressen. Da muss man einen Mittelweg finden, der passt. Caro wusste schon recht genau, was sie wie machen möchte und das hat sie auch im Training immer wieder geübt. Sie hat es mir trotzdem noch einmal aufgeschrieben und zugemailt und wir sind lediglich nochmal die Flüssigkeitszufuhr durchgegangen. Ich denke aber, im Nachhinein kann man da noch einiges rausholen, sodass Caro durchgehend mit Energie versorgt ist und nicht aufgrund von Magenproblemen einen Verpflegungspause einlegen muss. Die Menge an solider Energie, die man auch bei Schlüsseleinheiten und langen Einheiten gut herunter bekommt, kann im tatsächlichen Wettkampf dann doch einfach zu viel des Guten sein. Jetzt haben wir aber auch hier Anhaltspunkte, mit denen wir weiter arbeiten können.
Celi, wie viel Zeit sollte man sich als Triathloneinsteiger bis zu seiner ersten Langdistanz nehmen und warum ist es so wichtig nichts zu überstürzen?
Es kommt immer drauf an. Und zwar vor allen Dingen auch darauf, ob man eine sportliche Vorgeschichte hat und wenn ja, was für eine. Ein Schwimmer wurde zum Beispiel die meiste Zeit in seinem Training vom Wasser getragen. Das heißt der Sehnen-Band-Apparat ist nicht auf die Belastungen beim Laufen vorbereitet, obwohl der Schwimmer kardiovaskulär natürlich sehr fit sein kann. Der Sehnen-Band Apparat braucht aber länger, als zum Beispiel die Muskulatur, um sich an die Lauf- und auch Radbeanspruchung zu gewöhnen. Das gilt für Einsteiger, die vorher nicht viel oder schon längere Zeit gar keinen Sport mehr gemacht haben sowie auch für Sportler aus anderen Disziplinen. Für eine Langdistanz muss man ein bestimmtes Trainingspensum absolvieren, um dieses gesund zu verkraften, muss man entsprechend Geduld mitbringen. Keiner ist gerne verletzt. Aber das Risiko ist enorm hoch, wenn man nicht auf das schwächste Glied in der Kette achtgibt. Ich halte nicht viel von einer Ich-will-einfach-mal-einen-Ironman-gefinisht-haben-Einstellung, für die es schon reichen würde, sich in einem Jahr einmal ordentlich vorzubereiten. Noch schlimmer sind Athleten, die gerade halbwegs Kraul schwimmen können – wenn überhaupt – und dann mit 3 Monaten Vorbereitung auf die Langdistanz stürmen. Vielleicht schaffen sie es über die Ziellinie, aber sicher nicht mit ihrer besten Leistung und erst Recht nicht mit gesundem Menschenverstand. Es ist einfach ein unglaublicher Stress für den Körper. Am liebsten sehe ich Menschen, die generell Triathlon mit ihrem Lebensstil auf nachhaltige Art und Weise in Einklang bringen wollen und sich entsprechend Zeit bis zur ersten Langdistanz nehmen. Dieser Sport ist viel zu schön, um ihn mit einer Radikalaktion abzureißen und dann wegzuschmeißen (und wahrscheinlich irgendein lädiertes Körperteil gleich hinterher).
Meine Empfehlung: In der ersten Triathlonsaison einen Jedermann, Sprint und eventuell schon eine Olympische Distanz ausprobieren. Im zweiten Jahr die Mitteldistanz angehen und im dritten Jahr ganz gezielt in die Langdistanz-Vorbereitung übergehen. So ist es auch eher wahrscheinlich, dass ein Athlet, der keine Langdistanz mehr machen möchte, noch im Modus der ersten zwei Jahre weiter trainiert, anstatt alles wieder hinzuschmeißen. Alles, was übers Knie gebrochen wird, rächt sich am Ende. Ich werde mich als Trainerin auf kurzfristige Adhoc-Abenteuer auf jeden Fall nicht mehr einlassen. Richtig schön ist es natürlich, wenn eine Athletin wie Caro, die längerfristig denkt, dann auch noch so viel Vernunft, Geduld und Einsicht mitbringt.
Fotos: Uwe Klein