Doppeleuropameisterin und Doppelweltmeisterin bei den Juniorinnen. Deutsche Meisterin Elite. Laura Lindemann hat 2014 und 2015 „alles“ gewonnen, was es im Triathlon zu gewinnen gab.
Im März 2012 stand die frühere Leistungsschwimmerin allerdings am Scheideweg ihrer sportlichen Zukunft: Um an der Sportschule Potsdam bleiben zu können, wurde ihr nahegelegt, sich auf den Triathlonsport zu konzentrieren. Im tritime-Interview äußert sich die 19-jährige Schülerin über den „erzwungenen“ Wechsel vom Schwimmen zum Triathlon und ebenso darüber, wie aus einer Hassliebe letztendlich Leidenschaft und echte Liebe entstanden.
Laura, seit Deinem ersten großen internationalen Erfolg im Frühjahr 2013 – dem zweiten Platz bei der EM in Alanya – ist sehr viel passiert. Was hat sich im Leben der Laura Lindemann seitdem am meisten verändert?
Als ich 2012 vom Schwimmen zum Triathlonsport wechselte, habe ich überhaupt nicht daran geglaubt, dass mein Leben – aus rein sportlicher Sicht – so viel an Fahrt aufnehmen und ich so viel erreichen würde. Natürlich träumt man als Sportler immer von dem großen Durchbruch, aber damals konnte ich mir gar nicht vorstellen, was die Erfolge letztendlich bedeuten und an Drumherum mit sich bringen. Umso glücklicher bin ich natürlich darüber, dass ich mir mittlerweile schon einen Namen gemacht habe, vielleicht nicht bei der Elite, aber vor allem im Juniorenbereich. Da kennen mich alle, auch wenn ich da jetzt raus bin! Außerdem durfte ich erstmals bei der Elite bei einigen WTS-Rennen an den Start gehen.
In den zweieinhalb Jahren bist Du von der eher schüchternen Sportlerin zu einer selbstbewussten Athletin gereift.
Obwohl in Alanya im Zielbereich alle gratulierten, ich Interviews gab, in die Kameras strahlen musste und zur Dopingkontrolle gebeten wurde, kam ich mir damals doch sehr verloren und überfordert vor. Das war absolutes Neuland für mich. Aber ich denke, solche Erfahrungen gehören zum Reifeprozess eines Menschen einfach dazu, genauso wie die Tatsache – ohne dabei überheblich zu klingen –, dass ich mit den eintretenden Erfolgen mittlerweile viel selbstbewusster auftrete. Letzteres ist ja auch ein Fingerzeig an die Konkurrenz, du kannst schließlich nicht wie ein Fass-mich-ja-nicht-an-Mäuschen den Wettkampf aufnehmen und den Anspruch haben, das Rennen zu gewinnen.
„Laura ist in den vergangenen drei Jahren nicht nur als Triathletin, sondern auch als Mensch gereift, sie weiß, was sie kann und hat dadurch auch merklich an Selbstbewusstsein gewonnen. Trotzdem ist sie keine Sportlerin, die sich in die erste Reihe stellt und sagt, hier bin ich und ich bin die Größte und Beste, ganz im Gegenteil. Der Erfolg verändert sie jetzt nicht dahingehend, dass sie abhebt und denkt, alles Weitere sei jetzt ein Selbstläufer. Sie weiß, dass sie weiterhin hart arbeiten muss.“
Daniel Grohmann | Triathlon Potsdam
Im Vorfeld zur WM in Chicago hast Du klar und deutlich artikuliert, dass der Sieg nur über Dich geht ….
(lacht) Das ist oft leichter gesagt, als getan. Natürlich spüre ich auch den Druck, der von außen an mich herangetragen wird. Aber mit so Aussagen wie „wir gehen davon aus, dass Laura gewinnt“ oder „das Ziel ist, hier zu gewinnen“ kam ich bislang immer ganz gut klar. Schließlich habe ich mir bereits im Rahmen der Saisonplanung 2015 die EM- und WM-Titelverteidigung als Ziel gesetzt. Und deshalb bin ich mir aber auch durchaus bewusst, dass ich an solchen Aussagen auch gemessen werde, es sei denn, ich musste aufgrund technischer Probleme oder einer Verletzung einen Wettkampf vorzeitig beenden.
Bei Deinen Starts wirkst Du auch unmittelbar vor dem Startschuss noch sehr gelöst. Was ist Dein Geheimnis?
Ehrlich gesagt, da gibt es gar keins. Es ist zwar nicht so, dass es sich so anfühlt wie „du bist ja jetzt superlocker drauf“, aber eigentlich gehe ich so an den Start wie immer, checke ganz normal mein Rad in der Wechselzone ein und bereite mich konzentriert auf den bevorstehenden Wettkampf vor. So auch in Chicago, wo ich mich selbst noch am meisten unter Druck gesetzt habe. Schließlich war das ja mein letzter Auftritt als Juniorin, und da sollte möglichst auch nichts schiefgehen. Ganz im Gegensatz zu meinen Auftritten innerhalb der World Triathlon Series. Dort konnte ich erst recht noch entspannter auftreten, denn im Elitefeld gehöre ich zu den Jüngsten, habe nichts zu verlieren und laufe noch weit unter dem Radarschirm der anderen Teilnehmerinnen und der Medien.
Und dann wurdest Du in Hamburg als beste Deutsche Siebte!
Stimmt, das Rennen hat alles bisher Dagewesene getoppt, selbst meinen völlig unerwarteten Europameistertitel in Kitzbühel. Diese Atmosphäre, die vielen Zuschauer, so etwas habe ich noch bei keinem anderen Rennen erlebt, das ist einfach einzigartig, unbeschreiblich!
„Meine Mutter ist mein größter Fan. Allerdings wäre es mir manchmal lieber, dass sie im Familien- und Freundeskreis meine Erfolge weniger in den Mittelpunkt stellt. Das ist mir eher unangenehm. Dort ist es mir viel lieber, wenn ich ich sein kann und über andere Themen gesprochen wird als über Triathlon.“
Laura Lindemann
Du hast gerade Deinen ersten EM-Titel angesprochen. Warum kam der selbst für Dich so überraschend?
Ich bin mit der Zielsetzung nach Österreich gereist, mit meinen stärksten Konkurrentinnen, den beiden Französinnen Audrey Merle und Cassagrande Beaugrand, einigermaßen mitlaufen zu können, um eine Medaille zu gewinnen. Dass das nicht einfach wird, war mir durchaus bewusst, da mich beide bei einem Europacup kurz zuvor abgezogen haben. In Kitzbühel selbst war ich sehr erstaunt, nicht nur mithalten zu können, sondern auch den Schlussspurt für mich zu entscheiden. Damit hatte ich im Vorfeld nicht gerechnet. Gleiches trifft auch auf die gewonnene Deutsche Meisterschaft bei der Elite in Düsseldorf zu. Dort habe ich ohne irgendeine Erwartung das Rennen aufgenommen, und umso schöner ist es dann, gewonnen zu haben.
Zum Triathlon bist Du als Quereinsteigerin vom Schwimmsport gekommen. Warum?
Mein damaliger Schwimmtrainer stellte mir aufgrund stagnierender Leistungen das Ultimatum: Entweder du probierst es beim Triathlon, oder es ist aus mit Sport. Mit anderen Worten musste ich mich für eine neue Sportart entscheiden oder den Leistungsauftrag an der Sportschule verlieren. Und am Anfang hat mir Triathlon gar nicht gefallen, ich fand es richtig langweilig.
Was sich dann ja glücklicherweise geändert hat.
In der Tat. Aber zunächst haben mich alle auch für verrückt gehalten, schließlich war allgemein bekannt, dass die Triathleten noch mehr trainieren müssen als die Schwimmer. Manch einer riet mir sogar, eine leichtere Sportart auszuüben. Aber es ist halt wirklich die Abwechslung, die mich immer noch davon ablenkt, an den hohen Zeitaufwand zu denken. Zwei unterschiedliche Disziplinen am Tag zu trainieren, ist einfach schöner, als zweimal fünf Kilometer zu schwimmen. Um weiter auf der Sportschule bleiben zu können, war Triathlon meine allerletzte Chance! Vor so eine Entscheidung gestellt zu werden, war sicherlich sehr hart für mich, aber auch dadurch habe ich sicherlich gelernt, mich mehr im Training zu quälen als früher. Und als sich dann die ersten Erfolge einstellten, wusste ich, dass ich alles richtig gemacht hatte. Und so entwickelte sich meine Liebe zum Triathlon. Phasen, in denen ich keine Lust auf das Training habe, kenne ich seitdem nicht mehr.
Könnte Dein Wechsel zum Triathlon im Sinne der Nachwuchssuche nicht Schule machen, indem man die „weniger guten Leistungsschwimmer“ davon überzeugt, zum Triathlon zu wechseln?
Auf jeden Fall sollte so etwas auch bei der sportartübergreifenden Nachwuchsförderung berücksichtigt werden. Definitiv ist eine gute Schwimmgrundlage das A und O für eine erfolgreiche Triathlonkarriere. Natürlich kann nicht jeder gute Schwimmer auch schnell laufen oder hat Lust darauf, aber die Voraussetzungen sind zumindest schon einmal gegeben. Denn wer nicht mit vorne aus dem Wasser kommt, hat es – natürlich auch abhängig von der Rennkonstellation – sehr schwer, sich ganz weit vorne zu platzieren. Und wenn dann noch eine Gwen Jorgensen in der ersten Radgruppe mitfährt, ist es derzeit unmöglich.
„Laura ist ein außergewöhnliches Talent. Bewundernswert ist, dass Ron Schmidt (Heimtrainer) und Thomas Möller (Bundestrainer Nachwuchs) es gemeinsam geschafft haben, ihre Belastbarkeit und ihre Leistung kontinuierlich zu steigern, ohne sie zu ‚verheizen’. Laura ist nicht nur selbstbewusst, sie hat ein souveränes Auftreten, ist – gepaart mit einer gewissen Gelassenheit – sehr zielstrebig und äußerst zielorientiert. Außerdem lässt sie keine Ausreden oder Entschuldigungen zu und hat einen sehr hohen Anspruch an sich. All dies hat mich in diesem Jahr wirklich beeindruckt! Wenn wir es gemeinsam schaffen, Laura weiterhin so behutsam an die Elite heranzuführen, werden wir alle noch sehr viel Freude an Laura haben. Trotz ihres Alters ist sie schon eine Anwärterin für einen Olympiastartplatz.“
Ralf Ebli | DTU Cheftrainer
In einem früheren Interview mit der tritime erwähntest Du in einem Nebensatz, dass Disziplin ein wesentlicher Grund für Deinen Erfolg ist. Warum?
Durch den Wechsel zum Triathlon habe ich gelernt, dass jede Trainingsminute zählt! Eine Einheit nicht ernst nehmen, so etwas kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Ich bin immer hoch konzentriert bei der Sache und weiß: Wenn ich den Plan nicht fokussiert ausführe, dann kann ich es auch gleich sein lassen und die Zeit anderweitig verbringen. Allerdings bin ich – insbesondere was die Protokollierung meiner Trainingsdaten angeht – bei Weitem nicht so perfektionistisch wie manch andere aus meiner Trainingsgruppe, sehr zum Leidwesen meines Trainers Ron Schmidt. Es ist wichtig, dass der Trainer beispielsweise bestimmt „nein, an diesem Wochenende findet kein Wettkampf statt, es wird jetzt trainiert!“ Ich weiß, dass ich eine führende Hand brauche – wohlgemerkt mit Fingerspitzengefühl –, aber in diesen Momenten hasse ich ihn für solche Entscheidungen! Im Endeffekt gibt der Erfolg ihm recht, seine Prognosen haben immer gestimmt. Insofern ist es schon sehr wichtig, dass ein guter Trainer seinen Athleten auch nicht alles durchgehen lassen darf und ihn somit auch vor mancher Unbedachtsamkeit schützt.
Und wie findest Du bei so viel Disziplin und Zielorientiertheit eine gute Balance zwischen Sport und Freizeit?
Natürlich ist der Sport wichtig und bestimmt derzeit mein Leben, aber wirklich alles auf eine Karte zu setzen und mich ausschließlich auf den maximalen Erfolg im Sport zu konzentrieren, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Dann würde ich auch die Freude am Hochleistungssport verlieren. Es macht ja auch Spaß, sich zu quälen, an sein Limit zu gehen, um besser zu werden, insbesondere dann, wenn sich das Training im Wettkampf auch auszahlt. Glücklicherweise kann ich in der Schule und beim Lernen oder, wenn es die Zeit zulässt, bei Serien wie Gossip Girl sehr gut abschalten. Aber ganz besonders genieße ich die trainingsfreie Zeit in der Saisonpause. Während andere mehr oder weniger durchtrainieren, habe ich dieses Jahr drei Wochen wirklich nichts gemacht. Wenn du das ganze Jahr über angeleitet wirst, dann ist es umso wichtiger, auch mal den Kopf richtig freizubekommen.
„Unterstützung von einem Mentalcoach habe ich nicht, und ehrlich gesagt,
halte ich persönlich davon auch nicht so viel.“
Laura Lindemann
Auf welchen Gebieten siehst du noch dein größtes Verbesserungspotenzial?
Definitiv im Krafttraining, in den Einzeldisziplinen selbst bin ich schon recht ausgeglichen. Viel wichtiger ist jedoch, weiterhin so konsequent und fokussiert bleiben und von Verletzungen verschont zu bleiben, damit ich mich – auch unter Berücksichtigung meines Alters – kontinuierlich steigern kann. Und da ich ab jetzt ja bei der U23 und der Elite starte, wird mein Training jetzt auch auf die olympische Distanz ausgerichtet.
Wo wir beim Thema wären: Träumst Du bereits von einem Olympiastart, oder ist Rio doch noch etwas zu früh?
Natürlich sind acht Monate vor Olympia die Spiele allgegenwärtig, aber ich wache jetzt nicht jeden Morgen mit dem Gedanken auf: Oh Du willst jetzt nach Rio! Wenn es im Training jedoch hart wird und ich wirklich an meine Grenzen gehen muss, dann ist es schon gut, sich die Olympischen Spiele vor Augen zu halten. Letztendlich liegt es doch an mir, mich zu qualifizieren. Niemand anderes kann jetzt hier und heute für mich trainieren, das muss ich schon alles selber schaffen! Und an solchen Herausforderungen und Zielen – auch in Verbindung mit dem Erfolg – wachse ich als Athlet und Persönlichkeit.
Hast Du nicht Sorge davor, frühzeitig verheizt zu werden?
Mit 19 Jahren stehe ich ja noch am Anfang meiner Karriere. Ich muss also auch selbst darauf achten, dass nicht zu schnell zu viel von mir erwartet wird und mir im Training zu viel zugemutet wird. So einen „Rucksack“ lasse ich mir erst gar nicht aufsetzen. Schließlich ist doch gerade im Triathlonsport ein gesunder Körper das wichtigste Kapital eines Athleten. Ich bin aber überzeugt davon, dass der Trainerstab und die Offiziellen sich dessen bewusst sind und genau darauf achten, dass so etwas nicht passiert.
Letzte Frage, hast Du Vorbilder?
Ich habe jetzt nicht unbedingt ein bestimmtes Vorbild, von dem ich jetzt ein Bild im Schrank hängen habe oder über den ich behaupten könnte: So wie der möchte ich auch mal werden. Im Gegenteil, eigentlich habe ich das Bestreben, einmal so gut zu werden, dass sich jeder an meinen Namen erinnert und ich dadurch selbst zum Vorbild werde! Und wenn ich somit dazu beitragen kann, Triathlon in unserer Gesellschaft bekannter zu machen, dann wäre das schon eine gute Sache.
Vielen Dank Laura, ich wünsche Dir weiterhin eine verletzungsfreie Vorbereitung auf die bevorstehende olympische Saison.
Interview: Klaus Arendt
Fotos: Jo Kleindl, Deutsche Sporthilfe / picture alliance
Steckbrief: Laura Lindemann
Geburtstag: 26.06.1996
Verein: Triathlon Potsdam
Trainer: Ron Schmidt
Berufsausbildung: Schülerin (Sportschule Potsdam „Friedrich Ludwig Jahn“)
Homepage: laura-lindemann.de
Erfolge
1. Platz Weltmeisterschaft Chicago | Juniorinnen (2015)
1. Platz Weltmeisterschaft Edmonton | Juniorinnen (2014)
1. Platz Europameisterschaft Genf | Juniorinnen (2015)
1. Platz Europameisterschaft Kitzbühel | Juniorinnen (2014)
1. Platz Europameisterschaft Kitzbühel | Mixed-Relay Junioren (2014)
2. Platz Europameisterschaft Alanya | Juniorinnen (2013)
3. Platz Europameisterschaft Kitzbühel | Mixed-Relay Junioren (2014)
7. Platz WTS Hamburg (2015)
1. Platz Deutsche Meisterschaft | Elite und U23 (2015)
1. Platz Deutsche Meisterschaft | Junioren (2014)