Triathletin und Ausdauersportlerin Judith Mess beschreibt, warum sie eigentlich Wettkämpfe bestreitet und wie sie mit vermeintlichen Niederlagen umgeht.
Eigentlich wollte ich hier an dieser Stelle einen Bericht über meine Erlebnisse und Erfahrungen bei der Zugspitz Trailrun Challenge schreiben. Zu Beginn des Jahres entschied ich mich an diesem Rennen teilzunehmen, eine Marathonstrecke mit knapp 4.000 Höhenmetern im Auf- und circa 2.000 Höhenmetern im Abstieg, mit dem Ziel auf dem höchsten Gipfel Deutschlands, der Zugspitze. Doch leider kam es anders wie geplant, gesundheitliche Probleme und eine leichte Krankheit am Tag bzw. in der Nacht vor dem Rennen zwangen mich dazu, dass Rennen nicht zu starten. Ein Start bei einem solchen Rennen erfordert hundertprozentige Fitness und in meinem Zustand wäre es mehr als fahrlässig gewesen, an den Start zu gehen.
Wie kam ich überhaupt auf die Idee, bei diesem Rennen zu starten?
Seit ich 9 Jahre alt bin, mache ich Triathlon und das zum großen Teil immer sehr ambitioniert, in den letzten Jahren konnte ich vor allem auf den längeren Strecken (Lang- und Mitteldistanz) einige gute Leistungen zeigen. Der Reiz liegt aber für mich nicht darin, gute Platzierungen zu erreichen oder Titel zu sammeln, sondern vielmehr darin, den Körper an seine Grenzen zu bringen, auszutesten wie leistungsfähig ich bin und mich selbst zu überraschen. Schon das Gefühl im Training, Fortschritte zu spüren und zu merken, wie ich immer schneller und stärker werde, ist unbeschreiblich. Das Trainierte im Wettkampf zu zeigen und an diesem Tag X alles aus mir raus zu holen, ist für mich unbezahlbar und macht mich einfach nur glücklich. Beim Wettkampf geht es mir nicht so sehr um den Vergleich mit den anderen, sondern vielmehr um das Auseinandersetzen mit mir selbst, das Überwinden von Krisen und das Genießen der Höhen. Wenn ich im Ziel abgekämpft und müde ankomme, bin ich mehr als zufrieden und glücklich. Das Ergebnis oder eine Platzierung ist dabei zweitrangig.
Herausforderungen suchen und angehen
Die letzten Jahre habe ich im Triathlon so gut wie alles ausprobiert. Ich bin mit meinem Team in der Baden-Württemberg Liga an den Start gegangen und wir sind regelmäßig auf dem Podest gelandet. Auch die längeren Distanzen habe ich “getestet”. Es gelang mir ein 7. Platz im Kraichgau (Mitteldistanz) sowie ein sehr überzeugendes Langdistanzdebüt in Roth 2012 mit einer Zeit von 10:09 h. Im darauffolgenden Jahr – 2013 – konnte ich mich in Roth noch einmal um fast 20 Minuten steigern und nach 9:50 h als 12. Frau gesamt über die Ziellinie laufen. Auch wenn es für mich im Triathlon noch viele Träume und Ziele gibt, wollte ich dieses Jahr eine andere Erfahrung machen. Durch den Umstieg von Studium in die Berufstätigkeit ist zum einen die Zeit zum Trainieren deutlich weniger geworden, zum anderen hatte ich dadurch auch das Gefühl, dass ich mich gerne weiterentwickeln möchte und nach 18 Jahren im Triathlonsport mir gerne eine neue Herausforderung suchen wollte. Die Wahl fiel schnell auf das Laufen; laufen geht immer und überall, auch nach einem stressigen Arbeitsalltag. Man braucht sich nach Feierabend nicht in überfüllten Hallenbädern rum ärgern und auch das Wetter ist beim Laufen ziemlich egal. Doch einfach nur Laufen? Meine Marathon Bestzeit (3:10 h) verbessern? Oder etwas ganz anderes? Fragen über Fragen und so stieß ich auf das vermeintlich perfekte Rennen, den Marathon auf die Zugspitze.
Ich wollte etwas Neues erfahren, erleben und neue Grenzen testen und dafür schien mir der Berglauf das richtige Ziel.
Grenzen testen
In der Vorbereitung bestätigte sich dies: ich genoss es ungemein, in den Bergen zu laufen. Neben der atemberaubenden Landschaft hatte ich immer so eine Ruhe beim Laufen, egal ob es steil bergauf ging, ein kalter Regenschauer über mich prasselte oder ich, mit den steilen und technisch anspruchsvollen Bergabpassagen zu kämpfen hatte.
Das Training lief gut, der große Tag, auf den ich hin gearbeitet und hin gefiebert hatte stand bevor und meine Gesundheit machte mir einen Strich durch die Rechnung! Die Enttäuschung war riesengroß und es floss auch die ein oder andere Träne. Ich war traurig und frustriert. Soviel hatte ich in die Vorbereitung gesteckt, Zeit investiert und das war nun mehr oder weniger umsonst. Doch war es das wirklich? Sind die schönen Momente in der Vorbereitung auf einmal alle wie weggeblasen nur weil das geplante Wettkampfhighlight nicht wie geplant gelaufen ist? Ist der Wettkampf wirklich alles, was zählt? Mit etwas Abstand zum Rennen kann ich diese Fragen ganz klar verneinen. Manchmal muss man die Perspektive wechseln, um die Dinge klarer zu sehen.
Ein Wettkampf ist das Ergebnis einer gewissen Trainingsphase
Beim Wettkampf können wir zeigen, was wir uns in der letzten Zeit sportlich erarbeitet haben. Im Umkehrschluss heißt das aber eben nicht, dass ein schlechter Wettkampf das Ergebnis einer schlechten Vorbereitung ist. Vielmehr ist doch der Wettkampf der Schlussakzent eines gewissen Trainingszyklus und vielleicht auch die Belohnung der harten Mühen. Die Vorbereitung zu meinem Rennen habe ich ungemein genossen, jede Trainingseinheit hat mir viel Spaß bereitet und ich habe Montagmorgens schon das nächste Wochenende herbeigesehnt, um wieder die Berge hinaufzulaufen. Diese schönen Erfahrungen sind nicht auf einmal weniger wert, nur weil das Rennen nicht so kam wie geplant?! Wenn ich heute, mit etwas Abstand zurückblicke, weiß ich zum einen, dass es die richtige Entscheidung war, den Start abzusagen, denke aber auch mit einem Lächeln an die vielen schönen Momente zurück.
Lernen, mit Tiefen umzugehen
Auch wenn man den Sport ambitioniert betreibt, darf man nicht vergessen, dass ein Wettkampf nur eine Momentaufnahme ist, ein Ergebnis des Zustandes am Tag X. Ein Wettkampf ist eben nicht nur das Spiegelbild des Trainings, genauso wichtig ist die mentale Komponente, man muss sich im Kopf vorbereiten. Wie gehe ich mit Tiefen um? Wie bleibe ich bei Höhen trotzdem cool und überzocke nicht? Und wie gehe ich mit äußeren Bedingungen, wie dem Wetter um? Zu guter Letzt muss aber auch der Körper mitspielen, sprich die Gesundheit. Natürlich kann man sich auch hier versuche, vozubereiten, doch man hat eben nicht alles in der Hand.
Der Blick nach vorne
Als sich bei mir am Tag vor dem Rennen Enttäuschung und Frustration breit machte, hab ich mich an die schönen Momente in den Bergen erinnert, an das Gefühl der Ruhe, der Freiheit und der Gelassenheit. Ich sagte mir, „die Vorbereitung, die neuen Erfahrungen und auch interessanten Menschen, die du dadurch kennengelernt hast, waren bedeutender und wichtiger als das heutige Erlebnis“. Klar habe ich auch versucht die Ursachen für meinen krankheitsbedingten Nichtstart zu finden und stellte mir einige Fragen: war die Vorbereitung zu hart? Die Tage zuvor zu stressig? Es ist wichtig, zu reflektieren und über die einzelnen Anhaltspunkte nachzudenken, alleine schon um ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Es ist wichtig, für einen selbst damit abzuschließen und seine ganz persönlichen Schlüsse daraus zu ziehen und einen Haken unter das Geschehene zu setzen. Schließt man mit dem negativ erlebten nicht ab, kann es einen spätestens vor dem nächsten Wettkampf wieder einholen. Die Angst vor einer Wiederholung kann sich breit machen und Angst in Kombination mit einem Wettkampf ist keine gute Mischung. Man muss sich befreien von den Enttäuschungen, akzeptieren was passiert ist und nach vorne schauen. Ich sage immer gerne „alles ist für irgendetwas gut“, womit ich meine, dass man jedem Erlebten etwas Positives abgewinnen kann. Fehler gehören dazu. Falsche Entscheidungen auch. Durch kluge Reflexion lässt sich aber verhindern, dass genau so etwas noch mal passiert.
In den letzten Tage habe ich genau das gemacht: die Ursachen analysiert, mich an die schönen Zeiten des Sportes erinnert und mich auf ein neues Ziel fokussiert. Daher steht bei mir nun am 4. Spetember die Challenge Walchsee auf dem Plan und ich freue mich auf das Training, die Erfahrungen und hoffe, dass es dieses mal ein glückliches Ende nimmt.
Text: Judith Mess
Fotos: privat