Rabea Vögtle ist Mama, Lehrerin und seit 2006 Triathletin. Wir haben mit ihr über ihr bisher einmaligstes Triathlonerlebnis – den Inferno-Triathlon, den sie auf dem siebten Rang beendete – gesprochen.
Warum hast du dir den Inferno Triathlon als Saisonhighlight ausgesucht?
Ich wollte mir einen langjährigen Traum verwirklichen. Schon von Kindesbeinen an reizen mich die Berge und die Natur – es gibt für mich keinen schöneren Ort der Ruhe und keinen besseren Platz, um Sport zu treiben. Und wenn es dann in der Gegend um die Eigernordwand, die mich schon als kleines Mädchen in ihren Bann zog, einen Triathlon gibt, dann ist das für mich der schönste Ort, die Leidenschaft für die Berge und den Triathlonsport zu vereinen. Im März diesen Jahres zeichnete sich ab, dass der Inferno Triathlon 2016 machbar wäre und ich dachte mir nur, wenn nicht jetzt, wann dann.
Wie hast du dich auf das Rennen mit rund 5.500 Höhenmetern vorbereitet?
Ich liebe die Berge (!!!) – und daher nutze ich jede sich mir bietende Möglichkeit, radelnd oder rennend in den Bergen zu verbringen. Jedoch hatte ich viele Fragezeichen im Kopf und fühlte mich als Neuling auf einer etwas längeren Distanz etwas unerfahren. Die Hauptfrage für mich war allerdings, wie ich alles unter einen Hut bekommen könnte … Kind und Training und vor allem das begrenzt zur Verfügung stehende Trainingszeitbudget. Die Lösung für mich lautete, mir Unterstützung zu holen. Ich ließ mir also das erste Mal Trainingspläne schreiben. Ich bin ein Typ, der sich gern an einem Plan orientiert, da man sonst häufig zu viel trainiert und seinen Körper überlastet. Und ganz ehrlich – ich wollte mir in meiner eh schon begrenzten Freizeit nicht noch Gedanken darüber machen, was ich wann, wie und wo trainiere muss. Riesen herzlichen Dank an Schulzki und Larissa für ihre Unterstützung. Es hat wirklich großen Spaß mit euch gemacht.
Wie organisierst du dein Training, da du auch Mama bist und zudem als Lehrerin arbeitest?
Das Zeitmanagement war wohl die schwierigste und anspruchsvollste Herausforderung des ganzen Vorhabens Inferno. Ohne die Unterstützung der gesamten Familie wäre das Ganze nicht möglich gewesen. Wenn dein Kind noch nicht im Kindergarten oder in der Kita ist, hat man als Mami recht wenig Freiräume und die Zeit fürs Training ist begrenzt. Alles ist strikt getaktet. Es bleiben genau festgelegte Stunden für das Training – und wenn es regnet, dann regnet es, da kannst du nicht sagen, ich geh erst in einer Stunde, wenn der Regen nachgelassen hat oder am Abend. Zudem leidet unter dem knappen Zeitbudget meistens die Regeneration. Beine hochlegen nach einem intensiven Lauftraining oder einer intensiven Radeinheit gibt es nicht – denn Mami wird gebraucht. Das Schwimmtraining konnte ich mir gut auf abends legen, wenn der Kleine schläft. Mit einem kleinen Wehmutstropfen – die Öffnungszeiten „meines“ öffentlichen Bades ließen meist nur ein „kurzes“ Training zu. Das hieß dann entweder schneller schwimmen oder eben Qualität vor Quantität. Für den Rest sucht man sich Lücken im Alltag, absolviert eine Trainingseinheit vor dem Unterrichtsbeginn oder im Anschluss an die Arbeit und versucht locker und flexibel zu bleiben, wenn das Training nicht so wie gewollt durchgeführt werden kann. Das ist wohl die größte Kunst – systematisch trainieren ist kein Ding der Unmöglichkeit, erfordert aber gleichzeitig genügend Lockerheit auch mal eine Einheit zu kürzen oder ausfallen zu lassen, weil der Alltag mit Kind eben nur bedingt planbar ist.
Vor was hattest du vor dem Rennen am meisten Respekt?
Sicher davor, ob ich den Spagat zwischen Mamasein, Training unter Zeitdruck, schlaflosen Nächten und genügend Regeneration auch wirklich hinbekomme.
Was war der härteste Moment beim Inferno für dich?
Nun, unter Mädels kann man ja offen reden ;). Es gibt Tage im Monat einer Frau, die man am liebsten aus dem Kalender streichen möchte. Tante Rosa hat sich angekündigt. Wenn dieser Besuch, dann auch noch ausgerechnet auf den Tag des Infernos fällt, dann hadert man am Morgen sehr mit sich selbst und seinem Körper, weil man große Lust hätte, einfach unter der Bettdecke liegen zu bleiben und jegliche Gedanken an körperliche Ertüchtigung ganz weit in den Hintergrund rücken. Das war mental wohl der schwierigste Moment, nicht zu wissen, wie sich der Tag gestalten würde, ob der Körper mitmacht und sich gedanklich nicht nur mit Schlauch, sondern anderen „Wechseln“ auseinanderzusetzen . Es kam wie es kommen musste: auf dem MTB bekam ich neben Materialproblemen, Bauchkrämpfe und wollte nur noch aufhören. Immer wieder versuchte ich mich, zu entspannen so gut es ging und Pedalumdrehung für Pedalumdrehung weiterzumachen. Beim Wechseln aufs Laufen brauchte ich viel Zeit und auch die ersten Laufkilometer krampfte der Bauch immer wieder. Ständig kamen Gedanken ans Aufhören. Doch der Wunsch, es aufs Schilthorn zu schaffen, war grösser und der Kopf an diesem Tag stärker. Ich konnte die Herausforderung annehmen, die neue Situation akzeptieren, auf meine Laufstärke vertrauen und dem Schildhorn entgegenschreiten. Der härteste Moment war mit Sicherheit der, zu wissen oder zu ahnen, was möglich gewesen wäre, wäre der Inferno ein oder zwei Tage später gewesen und man selbst im Vollbesitz seiner Kräfte … aber so ist das eben, es kann nicht immer alles nach Plan laufen.
Was war der schönste Moment?
Definitiv die Minuten kurz vor dem Schwimmstart: freie Sicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau … der Schilthorngipfel erleuchtet, vor einem der See und du weißt, dort hinauf möchte ich – es wird eine lange Reise, aber heute kann ein Traum wahr werden. Das war mein Gänsehautmoment.
Was würdest du Mädels trainingstechnisch raten, die den Inferno gerne machen möchten?
Versucht aus der „Eintönigkeit des Trainings“ auszubrechen – wagt alternatives Training wie zum Beispiel Seilspringen. Das ist beispielsweise super effektiv und setzt neue Reize. Hört auf euch, auf euren Körper und verliert nicht die Situation aus den Augen, in welcher ihr euch gerade befindet. Habt Spaß in den Bergen, im Training und der Rest kommt fast von alleine. Schaut euch die Strecken im Vorfeld an, dann wisst ihr, worauf ihr euch einlasst. Und ihr müsst hinterher weniger geniale Eindrücke verarbeiten ;-). Ach ja, und das Regentraining dieses Jahr hat mir sehr geholfen, mich auf alle Eventualitäten einzustellen. Auch beim Inferno kann es stundenlang regnen und kalt sein. Alles, was ihr im Training bereits erlebt habt, kann euch im Wettkampf nicht mehr überraschen.
Fotos: privat