Ja, ich schaffe das. Alexandra Kreis hat nie daran gezweifelt, in Roth über die Ziellinie zu laufen. Sie hat das Projekt “Langdistanz” für sich gestartet. Zweifler hat sie erst gar nicht zu Wort kommen lassen.
In Teil 1 ihrer Geschichte hatte die 48-Jährige darüber geschrieben, wie sie überhaupt auf die Idee kam, am 17. Juli 2016 bei der Challenge Roth an den Start zu gehen. In Teil 2 ihres Berichts ging es darum, wie sie das Training gemanaget hat. Heute in Teil 3 geht es um die Einstellung und um positives Denken. Viel Spaß dabei!
Wem sage ich was?
Eine spannende Frage war, wen ich über die bevorstehende Langdistanz informieren sollte und wen besser nicht? Ich habe festgestellt, dass die Entscheidung zur Teilnahme etwas sehr persönliches ist, bei dem man sich überlegen sollte, mit wem man darüber redet. Das ist nicht vergleichbar mit der Info, wohin beispielsweise die nächste Urlaubreise geht. Die Menschen fällen ein Urteil, das je nach Grad deren Sportbegeisterung und Vorstellungskraft von gesundheitsschädlich und „nicht normal“ über Skepsis bis hin zu Erstaunen und Bewunderung reicht. Am besten wäre es, wenn nur die Leute, die voraussichtlich positiv reagieren, davon wissen. Aber das lässt sich nicht immer so einrichten und dass so ein ungewöhnliches Vorhaben polarisiert, damit hatte ich gerechnet. Ich ließ mich durch negative Reaktionen zumindest nicht beeinträchtigen.
Mentale Stärke
Vom Tag der Anmeldung an hatte ich ein Bild in meinem Kopf, das mich durch die letzten sieben Monate getragen hat: mein Zielfoto. Arme hoch und strahlen!
Als Zuschauerin hatte ich so oft die Freude in den Gesichtern der Ankommenden gesehen. Trotz aller Erschöpfung. Aus irgendeinem inneren Antrieb heraus gab es für mich im Verlauf der Monate immer weniger Zweifel daran, dass ich nach 226 Kilometern ankommen würde, innerhalb der Zeitvorgabe von fünfzehn Stunden. Ich wollte „nur“ durchkommen und am Ende lachen. Ich glaube, es waren die letzten sechs Wochen vor dem 17. Juli, in denen ich jedem, der fragte, aus voller Überzeugung sagte: „Ja, ich schaffe es!“.
Ich habe bereits einige Erlebnisse hinter mir, die mich sowohl körperlich als auch seelisch an meine Grenzen der Leidensfähigkeit gebracht haben. Seien es sehr persönliche Wege, die wir gehen mussten, oder auch sportlicher Natur – wie beispielsweise beim Klettern oder beim Mountainbike-Alpencross mit etlichen Höhen- und Kilometern. Mit einem erstrebenswerten Ziel vor Augen, kann ich viel leisten. Ich höre nicht auf, nur weil eine Aufgabe mehr als anstrengend ist und mich an den Rande der Verzweiflung bringt.
Wege finden
Dazu kommt, dass ich scheinbar eine innere Kraft habe, die mir trotz manch harter Widrigkeiten hilft, das Leben als Geschenk zu sehen und eine positive Einstellung zu haben: weitermachen, nicht aufgeben, einen Weg finden. Das kann ich auf den Sport übertragen.
Bei der sportlichen Herausforderung spielt mein Mann eine wichtige Rolle. Er sieht in mir immer ein größeres Potential schlummern, das man nur wecken muss. Sobald ich mich überwunden hatte, war die Freude immer groß. Ehrlicherweise hätte ich eine Anmeldung zur Langdistanz noch Jahre hinausgezögert, um Erfahrung zu sammeln und Grundlagen aufzubauen. Oder ich hätte mich gar nicht angemeldet. Aber in dem Moment, als ich die Meldebestätigung schwarz auf weiß hatte, war ich froh, dass er mir diesen Schubs gegeben hatte. Ich werde schließlich nicht jünger und das Leben will jetzt gelebt werden.
Was noch passieren kann
Was jeder fürchtet, der sich für einen Wettkampf vorbereitet, sind verletzungs- und krankheitsbedingte Pausen. Mein Mann kämpfte immer wieder mit Erkältung und Trainingsausfällen. Gerade weil er im Rennen eine gute Zeit machen wollte, nagte das an ihm.
Mich hat im Frühsommer eine Erkältung erwischt. Das war eine Zeit, in der viele Leute um mich herum mit Schnupfen und Husten herumliefen und das „heißkalte“ Wetter das Immunsystem herausforderte. Bei meiner „Terminwahl“ hatte ich Glück im Unglück: die Erkältung fiel genau in meine zweite trainingsfreie Woche, die mir mein Plan erlaubte. So konnte ich ohne schlechtes Gewissen wegen des verpassten Trainings gesund werden. Nur die geplante Sprintdistanz trat ich danach nicht an, aber das war zu verkraften. Die Gesundheit geht vor und ich konnte mich gut erholen.
Viel schlimmer traf es meinen Trainingskollegen Klaus, der überraschend operiert werden musste und bei der Challenge nicht starten konnte. So viel Zeit in das Training zu investieren und nicht teilnehmen zu können, ist wirklich hart.
Etwas unvorbereitet traf mich bei der letzten längeren Schwimmeinheit am Samstag vor der Challenge die Überraschung, dass mein fünf Wochen alter Neoprenanzug unter den Armen Risse bis zum Innenfutter bekommen hatte und beim Schwimmen Wasser reinlief. Kopfkino: die Risse gehen komplett durch und ich werde 3,8 km wie ein Wasserballon schwimmen müssen! Ich habe sofort beim Händler angerufen und nach ein paar Telefonaten wurde mir Ersatz versprochen, der mir dann drei Tage später – gerade noch rechtzeitig vor der Abfahrt am Donnerstag nach Roth – geliefert wurde.
Vorschau: Im nächsten Teil werden die Ernährung und das Vorwettkampfgeschehen von Alexandra unter die Lupe genommen.