Das Training ist vollbracht. Noch ein kurzes Wort zu Alexandras Ernährung und dann steht auch schon der große Tag vor der Tür – die Challenge Roth kann beginnen. Oder doch nicht?
Wer bisher die ganze Geschichte verpasst hat. Herzlich Wilkommen bei Alexandras Geschichte “Meine erste Triathlon-Langdistanz”.
Teil 1,Teil 2,Teil 3
Heute esse ich Fett mit Fett
Ich bin der Meinung, man ist, was man isst. Von daher ernähre ich mich gerne gesund. Keineswegs lehne ich Kuchen oder auch mal Pommes ab, wenn mir danach ist oder es einen Anlass dafür gibt. Ich bin nicht streng mit mir, habe auch keinen besonderen Plan. Ich esse einfach möglichst „natürlich“, also unverarbeitete Lebensmittel wie Gemüse und Obst, öfter Fisch, ganz wenig Fleisch, gesunde Fette, keine Geschmacksverstärker, Phosphate oder künstliche Süßstoffe. Aber letzteres hauptsächlich, weil es mir nicht schmeckt.
Irgendwann stand auf meinen Trainingsplan der Hinweis: Ernährung optimieren. Was sollte ich denn an meiner Ernährung verbessern? Also nahm ich mit Hilfe einer App den Anteil von Kohlehydraten, Eiweiß und Fett unter die Lupe und siehe da, meine Ernährung könnte mehr Eiweiß vertragen. Durch das viele Obst waren die Kohlehydrate in der Überzahl. Das Obst reduzierte ich daraufhin nicht, verzichtete aber auf Reis oder Nudeln zum Mittagessen. So kam es, dass ich meinen Arbeitskollegen im Pausenraum sagte: „Heute gibt es bei mir Fett mit Fett“. Das war an diesem Tag Räucherlachs mit Avocado.
Carboloading vor dem Rennen
Die eiweißhaltige Ernährung behielt ich bei, verstärkte diese noch eine Woche vor der Challenge und begann vier Tage vor dem Wettkampf, auf mehr Kohlehydrate umzuschwenken. Donnerstag und Freitag habe ich gefühlt so viel gegessen wie sonst in einer Woche. Ich bin schnell satt, so dass ich einfach nebenher immer wieder etwas geknabbert habe. Am Samstag gab es im Laufe des Tages überwiegend Flüssignahrung, vor allem keine Ballaststoffe (wegen des befürchteten Gangs auf die Toilette). Abends haben wir mit Freunden gegrillt und ich habe ein bisschen Fleisch und Nudeln gegessen. Auf den geliebten Salat habe ich wegen der Ballaststoffe ausnahmsweise verzichtet.
Roth in Sicht
Eine Besonderheit dieses Termins war, dass von unserem TriTeam Langenargen insgesamt sieben Kollegen, mein Mann und ich als einzige Frau, angemeldet waren. Es war klar, dass wird toll. So viele bekannte Gesichter werden vor Ort sein, als Mutmacher und Gefährten. Schön auch, dass es in Roth vor dem eigentlichen Höhenpunkt einen Frauenlauf gibt, so dass auch die Partnerinnen der Teilnehmer einen eigenen Event haben. Übrigens mit tollen Geschenken im Startpaket, die mir besser gefielen als mein Startbeutel mit überwiegend Altpapier sprich Werbeflyern. Ein Teil unserer Truppe war in Hotels untergebracht, Andy und ich mit weiteren zehn Leuten auf einem Campingplatz in der Nähe des Schwimmstarts. Insgesamt waren wir 17 TriTeamler in Roth.
Wir sind drei Tage vor dem Start angereist, um in aller Ruhe die Startunterlagen zu holen, die Messe zu besuchen und die Wechselzone in Augenschein zu nehmen. Im Wohnmobil meiner Schwiegereltern hatten wir reichlich Platz und da sich ein Teamkollege unseren VW-Bus geliehen hatte, ein anderer mit Zelt und PKW vor Ort war, konnten wir bequem nach Roth fahren. Die Mountainbikes mussten wir für die Fahrt vom Campingplatz zur Messe gar nicht ausladen und konnten Beinkraft sparen.
Jeder hat noch ein bisschen trainiert, wobei sich das Tapering der letzten zwei Wochen für mich sehr merkwürdig anfühlte. Zwei Tage Trainingspause hintereinander, das gab es nur jetzt am Schluss. Und auch diese kurzen, sehr spezifischen Trainings, waren neu für mich.
Am Tag des Radeinstellens haben Andy und ich die Räder und Laufbeutel vorbereitet und sind zusammen zur Wechselzone gefahren. Das Rad platziert, den Helm an den Lenker gehängt, den Gang zum Losfahren eingestellt, kleines Kettenblatt, denn nach dem Start ging es sofort eine Brücke hinauf. Dann sind wir den Schwimmausstieg, die Aufnahmestelle für die Radbeutel und den einfachsten Weg zum Rad abgegangen. Ich wollte mir alles gut einprägen. Zum Schluss noch den Laufbeutel am LKW abgeben. Tschüss, bis morgen!
Der längste Tag
Der längste Tag begann um 3:45 Uhr. Ich war sowieso schon wach, konnte überhaupt nicht schlafen. Mein Empfinden war, dass ich nur eine halbe Stunde am Abend geschlafen hatte und sich danach das Gedankenkarussell unaufhörlich drehte. Ich hatte schon gelesen und gehört, dass das häufig passiert und daher die Nacht von Freitag auf Samstag viel wichtiger sei. Da wir vorsorglich am Samstagmorgen gut ausgeschlafen hatten, war die kurze Nacht kein Problem.
Ein leichtes Frühstück und nochmal Rad- und Zielbeutel prüfen. Und dann Richtung Schwimmstart laufen. Das war gar nicht so einfach, denn im Gegensatz zu den Tagen vorher waren Wege, Straßen und die Brücke voller Menschen. Und die meisten bewegten sich natürlich viel zu langsam, wollten sich auf der Brücke den besten Zuschauerplatz über dem Main-Donau Kanal sichern. Es war die 15. Challenge und viele bekannte Triathleten waren dabei. Ich war eine 561 Damen auf der Starterliste, die Herren waren mit 3.406 in der großen Überzahl. Dazu kamen rund 1.800 Staffelteilnehmer und auch noch die Zuschauer. Von weitem war schon die stimmungsvolle Musik zu hören und es lag so ein Vibrieren in der Luft.
Das Unvorhersehbare
So oft habe ich von meinem Mann gehört, dass man noch so gut vorbereitet sein kann, es passieren immer wieder Dinge, mit denen man nicht rechnet. Ich war so gut vorbereitet, dass ich einen Ernährungsplan zum Mitnehmen hatte, eine Übersicht mit Rad- und Laufzeiten mit unterschiedlicher Durchschnittsgeschwindigkeit und sogar einen Aufkleber für meine Lenkerflasche: „Trinken, essen, lächeln :-).“ Das alles gab mir ein sicheres Gefühl und im Wettkampfstress wollte ich nicht noch rechnen müssen.
Andy und ich verabredeten uns bei meinem Rad, bevor jeder zu seinem Stellplatz ging. Er wollte mir noch die Räder aufpumpen und vor allem wollten wir uns Glück wünschen. Andys Schwimmstart war um 6:35 Uhr, bei mir ging es 6:55 Uhr los.
Oh, nein … !!!!
Mein Rad stand an seinem Platz, ich habe die Trinkflaschen eingesteckt und die Uhr in Startstellung gebracht. Dann noch kurzer Check der Schaltung. Ganz wichtig zu erwähnen, ich habe eine elektronische Schaltung, die summt und klackt, wenn ich die Hebel betätige.
Sogar ein grünes Lämpchen signalisiert, dass alles in Ordnung ist. Der Akku war voll geladen 13
und bis zu dieser Sekunde hatte ich nie Probleme damit. Doch dann, kein Geräusch. Nochmal schalten, ach doch, da war jetzt wieder ein Summen. Wieder schalten, kein Geräusch. Ein Panikanflug, komisches Gefühl im Bauch, die Augen wurden immer größer, das Herz schlug schneller! Die Schaltung hat einen Defekt. In dem Moment kam mein Mann und versuchte sofort, die Ursache zu finden. Bei längerem Druck auf den Schalthebel, tat sich nur sporadisch etwas. Kabel abziehen, neu dranstecken, kein Summen. Es war auf die Schnelle nichts zu machen. Die Zeit verrann und schließlich musste er los, seinen Radbeutel abgeben und den Neo anziehen. Dann würde er nochmal vorbeikommen. Währenddessen ging ich mit meinem Rad zu einem Radreparatur-Stand direkt in der Wechselzone. Die Aussage des Mechanikers zu meinem Problem: „Eine elektronische Schaltung? Da kann ich gar nichts machen, da kenne ich mich nicht aus.“ Andy hat mich beim Bike-Service gefunden und die einzige Lösung war, so wenig wie möglich zu schalten. Da die Schaltung selbst entschied, wann sie schalten wollte und wann nicht, würde ich mir jeden Schaltversuch gut überlegen müssen. Unverrichteter Dinge stellte ich mein Rad an seinen Platz zurück.
Unser Teamkollege Klaus, der wegen seiner Operation nicht starten konnte, kam vorbei, um Fotos zu machen. Ich habe mein Leid geklagt und er sagte: „Mädchen, sowas passiert. Mach Dir keine Sorgen, wenn Du aus dem Wasser kommst, dann geht es wieder.“ Meine Hoffnung war, dass es mit der Feuchtigkeit der Nacht zu tun haben könnte und wenn es später wärmer werden würde, würde sich das Problem von alleine lösen. So eine Einstellung „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ kann man nur in Ausnahmesituationen wie im Wettkampf haben, denn das Rad stand nicht das erste Mal nachts auf einer Wiese oder im Regen. Aber ich wollte doch endlich diese Challenge durchziehen.
Andy und ich mussten uns verabschieden, er musste jetzt wirklich dringend zum Schwimmstart. Für ihn war das auch ein riesen Stress und der Gedanke an mich würde ihn den ganzen Tag nicht loslassen, wie und ob es bei mir weiterginge. Schließlich habe ich meinen Radbeutel an seinen Platz in die endlose rote Reihe gelegt. Dann musste ich mich auch beeilen, den Neo anziehen und den grünen Beutel für den Zielbereich abgeben.
Vorschau: Jetzt wird es spannend. Was macht die Schaltung von Alexandra? Kann sie ihr Rennen überhaupt durchziehen? Morgen erfahrt ihr, ob sich der ganze Aufwand der letzten Monate für die 48-Jährige gelohnt hat.