Katja war mit ihrem Mann Lars bei der diesjährigen Tour Transalp am Start. Für die beiden ist es ein Traum die Berge der Alpen mit dem Rad gemeinsam zu erklimmen. Doch dieses Jahr war alles anders.
Die Tour Transalp 2017 von Sonthofen zum Gardasee nach Arco in sieben Etappen mit 867 Kilometern und 18.233 Höhenmeter ist Geschichte. Die Tour sollte für Katja als Vorbereitung für den Ironman Hamburg dienen, aber so richtig zum Radeln kamen die beiden in der Woche dank vieler Wetterkapriolen nicht immer.
1. Etappe von Sonthofen nach Imst –
138 Kilometer und 2.300 Höhenmeter:
Bereits der erste Tag in Sonthofen begann regnerisch. Um 09:30 Uhr rollte das Feld zunächst 12 Kilometer neutralisiert los. Sehen konnte man leider nicht viel, der Regen prasselte unaufhörlich auf uns nieder. Wie bei der Transalp so üblich war die Runde durchs Allgäu mit einigen steilen Segmenten gespickt – unter anderem musste die Elleghöhe mit 15 Prozent Steigung besiegt werden. Weiter ging es durch das schöne Tannheimer Tal. Nach der Abfahrt vom Gaichtpass führte die Strecke durch das Lechtal kontinuierlich nach oben. Nach 106 Kilometern kam der Abzweig zum Hahntenjoch mit zum Teil 15 Prozent Steigung über einer Länge von 15 Kilometern. Oben auf dem Pass war es endlich trocken und es wartete die ersehnte Zeitnahme des heutigen Tages auf uns.
2. Etappe nach Südtirol – 139 Kilometer und 2.600 Höhenmeter
Am zweiten Tag begrüßte uns die Sonne. Von Imst ging es vier Kilometer neutralisiert in Richtung Ötztal. Nach Sölden sind wir in einer zügigen Gruppe im “Rennmodus” förmlich geflogen. Ab Sölden mussten wir unser eigenes Tempo fahren, der eigentliche Anstieg zum Timmelsjoch stand bevor zudem hatten wir ordentlich Gegenwind. Nach der Abfahrt nach St. Leonhard mit vielen Serpentinen erwischten wir erneut eine zackige Gruppe. Ruck Zuck kamen wir im Zielort Naturns an … gut so, denn heute hatten wir fast 40 Grad, was nach der Regenetappe von gestern schon fast etwas zu krass war.
3. Etappe – 98 Kilometer und 3.052 Höhenmeter
Wie jeden Tag viel der Startschuss um 09:00 Uhr. Die Beine fühlen sich gut an, auch wenn wir vor dem heutigen Tag Respekt hatten, ließen wir uns nicht abhalten, direkt hinter dem Führungsmotorrad loszufahren … frei nach unserem Motto “heute wird geballert!” Nach 20 welligen Kilometern kamen die ersten Anstiege. Wir nahmen das Tempo raus, um einen runden Tritt am Berg zu finden. Der erste Anstieg des Tags führte mit knapp 1.000 Höhenmetern zur Vischgauer Höhenstrasse. In Prad begann der Anstieg zum Stilfser Joch – mit knapp 2.750 Höhenmetern der höchste Bergpass Italiens. Für den Anstieg mit 48 Kehren benötigten wir 2:27 Stunden. Die Aussicht war ein Traum und wir bekamen sogar den beeindruckenden Ortler zu sehen. Doch die gute Aussicht sollte nicht von langer Dauer sein. Die Abfahrt nach Bormio mussten wir schlotternd vor Kälte im strömenden Regen bei rund 5 Grad absolvieren.
Leider sollte uns schönes Wetter an den nächsten Tagen nicht mehr vergönnt sein, ab jetzt entpuppte sich die Tour als Adventure Tour Transalp 2017.
4. Etappe nach Livigno
An diesem Tag sollte es von der anderen Seite des Stelvio nach Livigno gehen. Die ganze Nacht hat es wie aus Eimern gekübelt und gewittert. Das bedeutete wieder alles an Regenbekleidung anziehen, was wir dabei hatten. Es war klar, dass es wieder ein langer nasser Tag werden sollte. Doch es kam anders als gedacht.
Durch die Lautsprecher am Start wurden wir vor dem Tag gewarnt – wir sollen auf uns aufpassen und Gewitter, Regen sowie Temperaturen um den Gefrierpunkt nicht unterschätzen. Nach dem Startschuss hielten Lars und ich spontan, knapp einen Kilometer nach dem Start, an einen Fahrradladen an, um uns Regenüberschuhe zu kaufen. Das komplette Rennfeld zog an uns vorbei. Kein einziger Begleitwagen, kein Rennradfahrer war mehr in Sicht. Was tun? Fahren wir weiter oder nicht? Am liebsten wäre ich aufgrund des Gewitters nicht gefahren, aber “Finish is at the Finish Line”. Aufgeben? Nein! Also, rauf aufs Rad und Kette rechts. Es ging direkt ohne Warmrollen in den Stelvio. Über uns das erste Gewitter. Ich fahre direkt hinter Lars und wimmere vor Angst. Gott sei Dank habe ich meinen Schatz bei mir, der mich ermutigt und mir versucht, die Angst zu nehmen. Schnell sammeln wir die letzten Fahrer des Feldes ein und schieben uns weiter vor ins Mittelfeld. Nach knapp 13 Kilometer im Anstieg, es schüttet noch immer unaufhörlich, besorgte ich uns von einem vorbeifahrenden Krankenwagen zwei Wärmedecken – die werden wir später in der Abfahrt gut gebrauchen können, dachte ich noch, ohne zu wissen, was gleich passieren sollte. Kurze Zeit später kommen uns vom Berg die ersten Rennradfahrer mit den Worten “the race is finished” entgegen. Das Rennen ist abgebrochen. Keiner kommt mehr über den Pass. Alle müssen zurück nach Bormio. Enttäuscht, aber dennoch glücklich über die Entscheidung, fahren wir hinunter.
Ich will nicht mehr – ich bin völlig durchgefroren, daher halte ich an einer Hütte an. Ich fahre keinen Meter mehr weiter und will nur noch ins Warme. Langsam aber stetig füllt sich die kleine Hütte mit durchgefrorenen Radfahrern, die in Lamettafolie eingepackt sind. Kaffee ist in Kürze ausverkauft. Die Luftfeuchtigkeit steigt auf 100 Prozent und auf dem Boden steht das Wasser.
Das Team der Transalp sorgt zügig dafür, dass die unterkühlten Sportler schnell mit Autos vom Berg gebracht werden. Auf dem Weg nach unten grübele ich, wie es wohl heute weitergehen könnte. Im Zielbereich angekommen erwartet uns kein Chaos. Alles läuft rund, es ist bereits ein großes Zelt mit Heizstrahlern und Verpflegung eingerichtet. Draußen liegen und stehen überall Rennräder, ständig kommen mehr durchgefrorene Tourteilnehmer vom Berg. Die Stimmung ist immer noch sehr gut und gelassen. Etwas später geht es in Bussen zu unserem Zielort der vierten Etappe – nach Livigno – weiter. Die Räder müssen wir erst einmal in Bormio zurücklassen. Das war ein richtig komisches Gefühl, mein Rad einfach irgendwo an einer Wand gelehnt, zurücklassen.
Später erfahren wir, dass wir auch morgen nicht zur fünften Etappe antreten können. Die Etappe ist aufgrund schwerer Gewitter, Schnee und Temperaturen um den Gefrierpunkt abgesagt. Die Räder sollen in LKWs verladen werden. Wir werden mit einem Shuttel morgens um 10:00 Uhr über die Schweiz zum nächsten Etappenort gebracht. Hmm, das stimmt uns nicht gerade glücklich. Aber die Entscheidung des Veranstalters ist mehr als vernünftig. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir Aprica – ohne Taschen und ohne Räder.
Wir suchen unser Hotel. Weil unser Gepäck nicht geliefert wird, finden wir heraus, dass wir im falschen Hotel gelandet sind. Ok, dann suchen wir jetzt eben erst einmal unsere richtige Bleibe und lassen uns den Spaß nicht verderben.
6. Etappe – 120 Kilometer und 2.350 Höhenmeter
Der Wettergott ist genädig und die Etappe wird wie geplant von Aprica nach Pieve di Ledro gestartet. Alle Starter sind ausgeruht und heiß wie Frittenfett aufs Radfahren. Los geht es mit einer 45 Hilometer welligen Abfahrt von Aprica nach Breno. 17 Kilometer sind neutralisiert. Danach wird geballert. Bis zum ersten Anstieg fahren wir einen 40er-Schnitt. In Breno seht der Anstieg zum Passo Croce Domini an – rund 30 Kilometer mit 1.600 Höhenmetern. Der Pass läuft super. Oben angekommen erwartet uns schon wieder Regen und Hagel. Wir halten an und ziehen die Regenjacken an. Nach einer kalten Abfahrt folgen noch zwei kurze Anstiege. Wir nehmen den Kopf runter und fahren was geht … bloß keine Zeit mehr verlieren. Ich klebe förmlich am Hinterrad von Lars. Bei der Ankunft in Pieve di Ledro lacht wieder die Sonne.
7. Etappe – 102 Kilometer mit 2.300 Höhenmeter
und Steigungen bis 21 Prozent
Der letzte Tag steht an. Alle Trainingsvorgaben sind heute egal. Heute gilt die Devise, es wird gefahren, was geht. Wir wollen noch ein paar Plätze gutmachen und eine Platzierung unter den ersten Vierzig in der Mix-Gesamtwertung ergattern. Die Hügel liegen uns. Die Höhenmeter fliegen nur so an uns vorbei. Und plötzlich ist er vor uns, der Anstieg mit den angekündigten 21 Prozent. Gefühlt nimmt der Berg kein Ende. Auch die Abfahrt ist ziemlich krass – viele große Schlaglöcher, Lichtwechsel im Wald und ein schwerer Unfall zügeln uns. Nach der Downhill-Passage klebe ich weiter am Hinterrad von Lars. Heute überholt uns keiner mehr. Nach einigen Kilometern erreichen wir die Zeitnahme. Platz 38 in der Mixed-Wertung. Yeahh, es ist vollbracht! Die Tour Transalp ist Geschichte. Es war wie immer eine großartige Herausforderung und dieses Jahr auch ein Abenteuer-Trip. Wir hatten trotz allem viel Spaß und liebäugeln schon mit den nächsten großen Etappenrennen.
Text: Katja Troschka
Fotos. privat