Raceday. Challenge Roth, BR-Staffel … Franziska Dietrich schreibt wie es ihr ergangen ist und warum es ein ganz besonderer Triathlon-Tag für sie war.
„Race Day“, ploppt die Nachricht von Team-Chef Charly vom Bayerischen Rundfunk in meinem Handydisplay auf, fast parallel zum Wecker, den ich auf 3.55 Uhr gestellt habe. Ich habe kurz, aber gut geschlafen und komme flott aus dem Bett. Die Vorfreude auf den Challenge-Event in Roth treibt mich zackig ins Bad, dann in die Küche. Guten-Morgen-Brei oder Brownie? Die Entscheidung treffe ich im wahrsten Sinne aus dem Bauch: Brownie. Dazu gieße ich mir, die bereits am Vorabend präparierten Tassen Kräutertee und Kaffee auf.
Auf dem Wohnzimmerteppich erwarten mich zwei Häufchen … nein, meine Haustieren waren brav. Ich habe den ganzen Samstag immer wieder Dinge, die ich für den Wettkampftag brauche, auf zwei Haufen gelegt. Der erste Haufen ist ganz wichtig – überlebenswichtig – für meinen Rad-Part auf der Langdistanz. Der zweite Haufen ist auch wichtig, aber wenn ich davon was vergesse, ließe sich sicher improvisieren. Improvisieren werde ich auch müssen, aber das weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, als ich den ersten Haufen in meinen Beutel stopfe: Radbrille, Getränkeflaschen, die eklige Gel-Flasche (prost :-)), Fahrradschuhe, Riegel, Startnummer am Gurt und die Koffein-Gels mit dem extra Punch kurz vor dem Ziel. Der Helm wartet schon auf dem eingecheckten Rad, somit wäre für den Wettkampf alles komplett. Nice to have sind dann noch Wasser, Sonnencreme, eine Banane, Taschentücher für´s Dixi und Kleidung für danach.
Der Wettkampf wirft seine Schatten voraus
Auf dem Weg zum Auto schnappe ich mir noch schnell die Luftpumpe und los geht’s Richtung Triathlon Mekka Roth. Auf der einstündigen Fahrt lasse ich die letzten Tage nochmal Revue passieren. Ich habe mich eigentlich auf die Tage vor dem Rennen gefreut. Chillen. In Roth die Stimmung aufsaugen. Faulenzen. Aber irgendwie artet es vor dem Rennen, trotz stark reduzierter Trainingseinheiten, doch immer in Stress aus. Außerdem war es heiß. Freitag durfte ich zum Live-Interview vom BR, die direkt aus dem Zielbereich übertragen haben. Im Anschluss habe ich mit den anderen beiden BR-Engeln die Startunterlagen geholt. Samstag standen Rad-Einchecken und Wettkampfbesprechung in einem heißen und mehr als gut gefülltem Zelt auf der Agenda. Dabei achtete ich immer brav auf den Flüssigkeitshaushalt und die Ernährung. Nach dem Anbringen der Startnummern-Tattoos ging es zu Bett. Diese Tattoos finde ich schon immer sehr cool, mit ihnen steigen Anspannung und Vorfreude. Bevor ich einschlafe schaue ich mir zum x-ten Mal die persönlichen Videos von Jan Frodeno und Nils Frommhold an, die der Bayerische Rundfunk liebevoll gemacht hat, um motivierende Worte der Profis an die Engel zu übermitteln. So süß, diese Idee. Ich habe mich darüber gefreut, wie ein Kind unterm Christbaum.
Kenne dein Material oder übe deinen Dackelblick
In der Wechselzone heißt es erstmal Rad-Umparken. Der BR hat einen klasse Platz für mich und mein Bike gesichert. Darin liegt auch das Geheimnis unserer bombigen Wechselzeit. Ich bringe Werkzeug- und Getränkeflaschen am Rad an. Luft muss noch in die Reifen, denn das Bike stand mir am Samstag zu lange in der prallen Sonne, sodass ich gezielt Luft rausgelassen habe, um einen Platzer zu vermeiden. Nun das Problem: Ich habe keinen Adapter für meine Disc dabei und bekomme keine Luft ins Hinterrad. Mit der Hilfe vom Team-Chef komme ich auf 5,5 bar. Oh we. Ich werde nervös. Die Disc bin ich erst einmal im Training gefahren, sie ist geliehen und ich hatte mir nicht allzu viele Gedanken dazu gemacht. Charly sieht es locker, das geht schon. Ich weiß nicht recht. Zufällig kreuzt ein Altersklassenathlet meinen Weg. Er hat eine Pumpe dabei, die etwas spezieller ausschaut. Ihn schickt der Himmel. Ich gucke ganz hilfsbedürftig und spreche ihn auf Englisch an – erfahrungsgemäß ist das Teilnehmerfeld ja sehr international – aber er antwortet auf Deutsch und zeigt sich sofort hilfsbereit. Yes, die Pumpe passt und die Bar-Zahl jetzt auch. Ready to race! Da steh ich nun: tatsächlich gesund geblieben – den hustenden Kollege hatte aber wirklich eine fette Stimmbandentzündung ausgeknockt – bestmöglich vorbereitet und einfach nur heiß auf die 180-Kilometer rund um Roth. Meine zwei kleinen Zehen, die ich mir Tags vor dem Wettkampf ordentlich an der Türkannte gestoßen habe, verdränge ich an dieser Stelle. Sie sind gut getapt und beim Radeln nicht kriegsentscheidend.
Der Wettkampf
Meine Schwimmerin Jenny darf mit der zweiten Welle der Einzelstarterinnen, um 7.00 Uhr ins Wasser. Optimal. BR-Luxus eben. Und sie liefert eine klasse Schwimmzeit von 1 Stunde und 13 Minuten. Dafür muss ich sie schon kurz drücken, ehe ich mir den Chip von ihrem Fußgelenk schnappe. Rauf aufs Bike, jetzt liegt es an mir. Ich kurble brav dahin. Die ersten Kilometer vergehen wie im Flug. Klar, ich werde oft überholt. Die Strecke in Roth gilt als schnell und es gibt so viele Athleten, die wahnsinnige Rad-Zeiten raushauen, da kann ich nur neidisch hinterherblicken. Aber das ist nicht tragisch, ich muss einfach mein Tempo finden und mein Rennen machen. Wenn man sich als Hobbyathlet so im Mittelfeld tummelt, ist es wichtig, selber kleine Ziele zu haben und nicht auf die Ergebnisse anderer zu schauen. Jeder hat andere Ausgangslagen, Veranlagungen und Ambitionen. Nach meinem ersten Triathlon auf der Olympischen Distanz hat meine Schwiegermama gefragt, ob ich gewonnen habe. Ich habe nur gelacht und gesagt: „Klar!“. Gewinnen tut man doch immer. Man muss den Gewinn nur vorher für sich definieren. Ja, heute wäre mein Gewinn der 30er Schnitt. Richtung Greding bin ich erstaunt, weil dunkle Wollten am Himmel hängen, als würde es gleich regnen. Dazu zieht ordentlich Wind auf – so war das nicht ausgemacht! Trotz fehlender Erfahrung macht mir die Disc bei den Winden keine Probleme. Ich freue mich auf den Kalvarienberg in Greding und steuere motiviert darauf zu, als mich der BR-Kameramann einholt. Er hatte zuvor noch Jenny interviewt, dann kommt er auf dem Quad an meine Seite und erkundigt sich nach meinem Befinden und meiner Pace. Die weiß ich nicht. Meine Uhr würde sie mir sagen, aber die aktuelle Anzeige gibt den Puls wieder – das reicht mir. Ich will mich nicht verrückt machen lassen, vor allem nicht auf der ersten Runde. Ganz nach der Empfehlung meiner Trainerin.
Emotionen pur
Am Solarer Berg ist die Hölle los. Ich bin tief beeindruckt und will den Berg eigentlich gar nicht so schnell hoch, sondern die Stimmung genießen. Wildfremde Leute brüllen mich den Anstieg hoch, pushen mich Tritt für Tritt. Ich muss mir ein paar Tränchen verdrücken, nicht dass die Linsen davonschwimmen. Diese Energie versuche ich mitzunehmen auf die restlichen Kilometer. Der Wind nervt. Eine Dorothea überholt mich und schnaubt dabei knapp und wütend: „So ein scheiß Wetter ey!“ Na ja. Ich muss an meine Mitteldistanz in St. Pölten denken und schmunzle. Nein, es könnte schlimmer sein. Auf meiner zweiten Runde kommt die Sonne besser durch und der Wind flaut ab. Ein mentales Tief bekomme ich, als meine Wasserflaschen leer sind und ich mich bis zur nächsten Verpflegungsstation durchkämpfen muss. Da steht es plötzlich auf der Stresse, in weißer Farbe: „NICHT RUMTRUTSCHEN!“ Stimmt, das habe ich schon im Training gelesen und mir gedacht, das es da steht, als wäre es für mich geschrieben. Also weiter Gas geben. Wieder fahre ich auf Greding zu, als sich ein Strecken-Marshall verdächtig lange auf meiner Höhe aufhält. Ich bin beunruhigt. Meiner Läuferin Lisa hatte ich versprochen, keine Extra-Lauf-Kilometer wegen Windschattenfahrens zu sammeln. Aber was nun? Verunsichert lasse ich die Athleten vor mir ziehen und ärgere mich darüber, dass der Marshall immer noch da ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit fragt er, ob ich auf der ersten Runde sei… na toll. Er konnte mich als Staffel-Radfahrerin zeitlich nicht zuordnen, das war sein Problem. Als ich das Rätsel aufkläre, nickt er und zieht ab.
Am Kalvarienberg erwarten mich zwei motivierende Dinge. Erstens mein Chef, der alles gibt und sogar ein paar Meter neben mir herläuft. Eine coole Überraschung. Dann kommt das Quad wieder, das gelegentlich mal abreissen und mich allein fahren lässt. „Du fährst nen knappen 30er Schnitt!“, ruft mir Andi mit der Kamera zu. Passt! Auch der Rücken hat (noch) nicht gemuckt, so kann es weitergehen. Tags zuvor bei der Hausarbeit habe ich ihn wieder gespürt, den unteren Rücken. Muss wohl an der Hausarbeit gelegen haben, denn Radfahren klappt heute super. Es macht sich doch bezahlt, dass ich an meiner Radtechnik gearbeitet und keine Stabi-Einheit ausgelassen habe.
Zum Schluss wird es immer hart
Das zweit Mal komme ich an den Solarer Berg. Es ist immer noch toll und da ich eine Freundin und meine Eltern sehe und sie mir lauthals zujubeln, bin ich gleich noch gerührter, als auf der ersten Runde. Wieder genieße ich jeden Meter den Anstieg hoch. Ein bisher toller Tag! Ich liebe diesen Sport. Zumindest zu diesem Zeitpunkt. Ab Kilometer 160 ist das Gröbste rum, habe ich mir vor dem Rennen eingeredet. Laut Streckenprofil geht es die letzten 20 Kilometer stetig bergab, das wird meine Pace nochmal ordentlich hoch treiben. Leider weit gefehlt! Da ist er wieder, der Wind. Die Strecke fällt wirklich leicht, aber der Gegenwind ist unbarmherzig. Ich bin im Tunnel. Meine Ballen brennen. Nochmal eines dieser Koffein-Gels, mehr für den Kopf, als für die Beine. Ich bin erleichtert, als sich das große Challenge-Banner bei der Ortseinfahrt von Roth nähert. Dann ist es geschafft. Nach 6 Stunden und 7 Minuten wechsle ich auf meine Läuferin. Einfach ein geiles Rennen! Ich bin glücklich und zufrieden, so sage ich es auch gleich beim BR-Interview. Die Glückwünsche von Charly, den lieben BR-Leuten und meinen Team-Kolleginnen gehen runter wie Butter. Auch wenn es unseren Zieleinlauf ein bisschen verregnet hat, wird dieser Tag ein ganz besonderer für mich bleiben. Schön, wenn ein Plan so aufgeht. Dank des Bayerischen Rundfunk habe ich nun auch einen Kurzfilm, den ich noch meinen Enkeln zeigen werde, um sie davon zu überzeugen, dass sie einmal in ihrem Leben zum Challenge nach Roth müssen.
P.S. den Witz haben der Kameramann und ich gar nicht gebraucht, uns fehlte es nicht an guter Laune
Text: Franziska Dietrich
Fotos: Heike Wolf