Fern der Heimat, mit vielen Gedanken im Kopf … Michaela Renner-Schneck berichtet von ihrem Leben in den USA und ihrem ersten Ironman 70.3-Rennen der Saison.
Eines steht fest: Im vergangenen halben Jahr hat sich mein Leben verändert. Im letzten Herbst haben mein Mann und ich unsere Zelte in Rottenburg-Oberndorf, Deutschland, abgebrochen um für drei Jahren in Green Bay, Wisconsin, USA, zu leben. Nicht, dass es uns zu Hause nicht mehr gefallen hätte – ganz im Gegenteil, ich habe mein ganzes bisheriges Leben in Rottenburg-Oberndorf gewohnt und mich wohlgefühlt. Eigentlich war alles perfekt – Freunde und Familie, Garten, Weinberg der Eltern, im Sommer das erweiterte Wohnzimmer im Freibad und perfekt eingespielte Trainingsbedingungen. Nur der Job, der passte nicht …
Mein Mann hatte die zähe Routine in seinem Betrieb schon seit längerem satt, und alles, was ich nach dem „erfolgreichen“ Abschluss meiner Promotion in Biochemie sicher wusste war, dass ich nicht in der Life Science Branche arbeiten möchte. In der Tat war der Sommerjob als Lifeguard in „meinem“ Freibad der erste, der mich seit langem glücklich gemacht hatte.
In diese Situation kam das Jobangebot für meinen Mann – und so fassten wir uns ein Herz und wagten uns in einen neuen Lebensabschnitt in den USA.
Mein Leben in den USA
Im ersten Moment klingt das toll. Es klingt nach „wow“, weltoffen, nach Abenteuer und neuen, aufregenden Erfahrungen. Es bedeutet aber auch Ungewissheit, Unsicherheit und Fremdheit im eigenen, neuen Leben. Aber hey, mit meinem Mann an meiner Seite fühlte ich mich bereit, mein bisher einziges Zuhause in 34 Jahren hinter mir zu lassen – genau genommen würde ich mit ihm auch barfuß zum Nordpol wandern, aber das sollte er besser nie erfahren ;-).
Nur meinen Sport, den Triathlon, wollte ich mitnehmen. Hat er mich doch in den letzten 17 Jahren einige unvergessliche Momente geschenkt und mich aus so mancher Krise gerettet, in die ich ohne ihn vermutlich nie gekommen wäre. Kurz, dieser Sport ist ein Teil meiner Persönlichkeit geworden, ein Teil von mir den ich liebe und der mich stark macht. Das tritime women Team sollte mein Anker in Deutschland bleiben, meine Verbindung zu alten Freund(inn)en daheim. Ein guter Plan wie ich fand.
Der Winter in Wisconsin ist lang – und verdammt kalt. Meine, im Nachhinein betrachtet krampfhaften Versuche, trotz aller Widrigkeiten „mein Ding“ durchzuziehen endeten in einer Überlastungsverletzung und allgemeiner Niedergeschlagenheit. Zudem fühlte ich mich entwurzelt und überfordert – sicher, Amerika ist ziemlich ähnlich wie Europa, und trotzdem ist alles anders. Alles ist irgendwie größer, breiter und… amerikanischer. Die Menschen hier in Wisconsin sind freundlich und gesprächig, aber oberflächlich. Speziell an ganz kalten Tagen, musste ich mich schon morgens zum Aufstehen zwingen wie zu eines Tasse Lebertran. Erst nach Wochen ein kleiner Lichtblick als ich bis ich per Zufall eine coole Trainings-Squad zum gemeinsamen Schwimmen fand. Bis ich zum ersten Mal das Gefühl hatte nach einer Radausfahrt „nach Hause“ zu kommen, war es Ende März.
Ironman oder Spaßrennen?
Klar, einfach hatte ich es mir nicht vorgestellt. Deswegen habe ich mir auch ganz bewusst nicht um Weihnachten herum überlegt, welche sportlichen Ziele ich denn im kommenden Sommer verfolgen möchte, wie ich es die letzten Jahre immer getan hatte. Trotzdem, und trotz aller widrigen Umstände, klammerte ich mich an die Vorstellung im Sommer Triathlon-Rennen machen zu wollen – auf dem Niveau, das ich so von mir gewohnt bin, versteht sich. Und um ganz ehrlich zu sein hatte ich insgeheim die Hoffnung, in diesem Sommer endlich jenes „glanzvolle“ Abschiedsrennen, von der Ironman-Serie machen zu wollen, das ich eigentlich schon im Sommer 2016 in Nizza geplant hatte, welches dann aber aufgrund einer Verletzung nie stattfand. Schon seit dem Spätsommer 2015 hatte ich das unbestimmte Gefühl, dieses Kapitel ‚ Ironman-Rennen’ abschließen zu wollen. Da war dieses (sorry) wirklich geile Rennen beim IM70.3 auf Lanzarote im September 2015, nachdem ich zwar auf dem Pro-Podest stand, aber irgendwie leer war. Zwei Wochen später dann das DNF beim Ironman Barcelona, den ich versucht hatte trotz geprellter Rippen durchzuziehen, nur weil die Laufform gerade so gut war…
Wie dem auch sei, ein letzter Ironman wollte ich noch machen. Ein letztes Mal auf dieser großen, künstlichen Bühne „all-out“ gehen, richtig schnell sein und mir danach endlich wieder Rennen zu suchen, die einfach nur Spaß machen und cool sind.
Ironman 70.3 Mont Tremblant, Kanada –
das Ende eines langen Kapitels
Ihr erkennt sicher schon den Fehler im System: Spaß und Ironman standen nicht mehr kausal miteinander im Zusammenhang. Ich denke ihr könnt euch auch schon denken, wie dieser „Rennbericht“ weiter geht. Ich erspare euch daher die Details.
Kurz die Eckdaten:
- Das Rennen: Ironman 70.3 Mont Tremblant, Kanada, 25. Juni 2017.
Tolle Gegend, schöne Strecke, hügelig auch beim Laufen. - Die Vorbereitung: suboptimal (siehe oben), aber die Hoffnung stirbt zuletzt…
- Ergebnis: Platz 10 gesmat (Frauen)
Klar, hab ich mich während des Rennens angestrengt, aber nach „Rennmodus“ hat es sich nie angefühlt. Das war nie dieser Kick. Die Ziellinie in Mont Tremblant ist fantastisch organisiert, durch ein dichtes Zuschauerspalier rennt man gut 300 Meter leicht bergab durch die Fußgängerzone. Ich dachte nur, wow, das könnte richtig Spaß machen – Schnecke, tu jetzt wenigstens so als ob. Im Zielbereich saß ich dann einige Minuten einfach nur da. Minuten in denen ich begann zu akzeptieren, dass mir das alles, das ganze Ironman-Gedöns, einmal unendlich viel bedeutet hat, dass es das jetzt aber nicht mehr tut.
Guter Rat ist teuer …
Wie ich mit dieser Erkenntnis umgehe weiß ich auch jetzt, einige Tage danach, noch nicht genau. Irgendetwas sagt mir aber, dass ich es lernen werde, höchst wahrscheinlich im Wasser, auf dem Rad oder beim Laufen – und hoffentlich mit dem tritime women team im Rücken. Denn eines kann man von den fantastischen Mädels in diesem Team mit Sicherheit lernen:
Triathlon ist so viel mehr als Schwimmen, Radfahren und Laufen – und definitiv so viel mehr als Ironman.
Ganz herzliche Grüße
Die Rennschnecke
Text: Michaela Renner-Schneck
Foto: privat