Ungeplant kommt oft. Franziska berichtet, wie sie ganz spontan und dank guter Form ihren ersten Marathon mit Bravour bewältigt hat.
Spätestens zum Jahreswechsel machen sich die meisten Athleten an ihre konkrete Wettkampfplanung. Ich auch. Pläne sind gut, aber es kommt ja meistens anders, als man denkt und das muss nicht immer negativ sein.
2017 wollte ich mir trotz meiner Wettkampf- und Trainingspläne etwas Spontanität und Lockerheit bewahren, weshalb meine Saisonplanung 2017 zunächst recht überschaubar war. Den Anfang sollte im Mai gleich mein Highlight machen, meine erste Mitteldistanz. Dann wäre das Wichtigste erledigt und alles danach sollte einfach Just-for-Fun sein. Doch weit gefehlt. Meine Nominierung als Staffel-Radfahrerin des BR-Teams stellte die Mitteldistanz überraschend in den Schatten und der Spaß-Wettkampf Challenge For Two in Regensburg im Sommer war ebenso ein unvergessliches Erlebnis. Schließlich stand ich da, Mitte August, mit einer Form, wie ich sie noch nie hatte und wusste nicht so recht wohin mit ihr. Keine Verletzungen, keine Krankheiten. Mein Training und meine Wettkämpfe liefen – im Großen und Ganzen – wirklich super. Geplant war nichts mehr, aber meine, für mich persönlich, gute Ausdauer ungenutzt verfliegen zu lassen, hätte mir auf ewig leid getan. Ich musste mir allerdings auch eingestehen, dass ich keine Energie mehr für lange Radeinheiten hatte, davon hatte ich einfach genug im Sommer. Da ich immer mit meiner Laufperformance hadere, überlegte ich mir kurzerhand, meinen Trainingsschwerpunkt darauf zu verlegen. Und plötzlich war mein nächstes Projekt geboren: Marathon!
Neues Ziel, neue Motivation
Nie zuvor hätte ich mir die 42-Kilomterstrecke zugetraut. Als Fan an der Strecke sagte ich stets voll Respekt: „Ich. Marathon? Nie!“ Über die Halbmarathonstrecke hinaus bin ich bis dahin noch nie gelaufen und selbst da konnte ich nicht mit einer tollen Zeit glänzen. Ich kämpfte mich, mal besser mal schlechter, an die Zwei-Stunden-Marke heran.
Zunächst holte ich mir den Expertenrat meiner Trainerin. Sie ist immer offen für meine Hirngespinste, solange ich mir realistische Ziele setze. „Wir stellen das Training jetzt erstmal um und nach zwei oder drei langen Läufen siehst du schon, wie gut deine Idee war.“, so ihre Reaktion. Die Rad-, und Schwimmeinheiten ersetzte sie durch verschiedene Laufeinheiten – Intervalle, Bergläufe, Lauf-ABC – und spezifizierte meine Kraft- bzw. Stabilitätsübungen. Puh, mein Respekt vor vier bis fünf Läufen die Woche war groß. Wider Erwarten fand ich jedoch großen Gefallen daran.
Damit ich mich auf den Marathon halbwegs freuen konnte, habe ich mir den 3-Länder-Marathon am Bodensee ausgesucht. Die Strecke hatte für mich einen besonderen Charme und ich musste keine eintönigen Runden laufen. Ab meinem Entschluss das Projekt Marathon anzupacken, bis zum Wettkampf blieben mir sieben Wochen. Nicht ganz optimal, aber ich hatte ja eine gute Ausdauergrundlage. Einen Volkslauf, bei dem ich eine Freundin als persönliche Pacemakerin dabei hatte und einen kleinen Duathlon schob ich im September noch ein, damit der Spaß nicht auf der Strecke blieb. Meine Bestzeit auf 10,5-Kilometer konnte ich dank meiner Freundin auf 56 Minuten drücken. Ein Motivationsschub für mich. Meine Wunsch-Zielzeit für den Marathon legte ich auf 4 Stunden 15 Minuten fest. Man weiß natürlich nie, was auf 42 Kilometer alles passiert, aber ich brauche einfach ein klares Ziel vor Augen. Je nach Bedingungen und Situation lässt sich das Ziel immer noch anpassen, aber ich ging einfach vom besten Verlauf aus.
Mit dem Neopren an den Marathonstart?
Schon eine Woche vor dem Marathon-Wettkampf meldet der Wetterdienst am besagten Tag Unmengen von Regen. Und ja, ich bin da zimperlich! Mir macht es durchaus etwas aus, vier Stunden oder länger durch die Gegend zu laufen, während es 30 bis 40 Liter auf den Quadratmeter regnet. Spaß ist anders! Fast stündlich aktualisierte ich den Wetterbericht und war teilweise kurz davor, das Projekt zu begraben. Da ich die Anmeldung erst am Tag vor dem Lauf vor Ort machen wollte, war ich noch flexibel. Das war rückblickend wahrscheinlich eher ein Nachteil, weil ich mir viel zu viele Gedanken gemacht habe. Ich habe sogar „Marathon Regen“ gegoogelt und nach Tipps im Internet gesucht. Schließlich fiel die Entscheidung: Ich wollte laufen – Augen zu und durch!
Meine Unterkunft in Lindau hatte eine top Lage und das Hotel war extra eingestellt auf Läufer – es gab eine riesen Auswahl am Frühstücksbuffet, das am Wettkampftag schon frühzeitig aufgesucht werden konnte – und mein Hund war willkommen. Geschlafen hatte ich zwar nicht sehr viel, aber ich fühlte mich gut. Ich wollte mit Laufgurt laufen, dass hatte ich im Training schon getestet und für angenehm empfunden. Damit konnte ich mich individuell versorgen, musste beim Trinken nicht stehenbleiben und nicht mit Bechern kämpfen. Außerdem hatte ich etwas „Stauraum“ für Gels, Riegel und Taschentücher. Eine Besonderheit hatte ich noch eingepackt: Frische Socken. Sollte der Regen wirklich anhaltend stark sein, wollte ich mir die Möglichkeit offen lassen, einfach schnell meine wasserdurchtränkten Socken gegen trockene zu tauschen, damit sich nicht zu früh im Wettkampf Blasen an den Füßen bilden konnten. Keine Ahnung, ob es geholfen hätte – ich habe die Socken nicht gebraucht, aber mental waren sie mir eine Hilfe.
Ein Lauf zum Genießen
Zum Glück wurden im Startbereich an alle Starter kostenlos Regenponchos verteilt. So blieb ich trocken bis zum Startschuss. Dann ging es auch schon auf die Strecke. Weg von der Insel Lindau, führte der Weg nach Bregenz. Die Zeit verging wie im Flug. Ich kam gut in meinen Laufrhythmus, der zwar etwas zu flott war, aber ich fühlte mich gut dabei. Ich hatte mir die Strecke in kleine Etappen eingeteilt, aber als ich das erste Schild mit „3 km“ las, dachte ich sofort „oh Gott, noch 39!“. Erfreulicher Weise war die Strecke wirklich toll. Die Läufer durften durch das Tor der Seebühne laufen. Ich war euphorisiert und sammelte Kilometer um Kilometer. Der Regen ließ nach, setzte teils etwas aus, sodass kurze Trampelpfad-Etappen problemlos passierbar waren. Den Halbmarathon peilte ich innerhalb zwei Stunden an, was ich tatsächlich nur um Sekunden verpasst habe. Persönliche Bestzeit! Nach der Hälfte der Strecke nahm ich etwas Tempo raus, einfach weil ich wusste, dass meine Zielzeit dadurch nicht in Gefahr war und ich auch den Druck von mir nehmen und den Lauf mehr genießen wollte. Schließlich war es mein ungeplantes Saisonhighlight, da erlaubte ich mir auch einfach einen Moment der Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, was ich erleben durfte. Ich füllte meine Fläschchen auf und freute mich über den warmen Tee auf der Strecke.
Mein 1. Marathon hat Spaß gemacht
An was denkt man während man einen Marathon läuft? Ich kann es nicht sagen. Ich genoss die Landschaft, das Bergpanorama der Schweiz, zählte Kilometer, dachte an meine Versorgung, störte mich nicht am Regen und kam schließlich wieder nach Bregenz, wo sich das Ziel befand. Erst ab Kilometer 38 oder 39 hatte ich das Gefühl, dass es zäh wurde für mich. Bis dato war ich noch nie weiter als 24 Kilometer gelaufen, weder im Training, noch im Wettkampf – da durfte es bei Kilometer 38 schon hart werden. Ich überholte Athleten, die deutlich mehr litten, so kurz vor Schluss und war froh, dass meine Beine sich noch zügig vom Boden lösten. Im Bregenzer Station hieß es dann noch ein paar Meter auf der Tartanbahn zu absolvieren. Ich versuchte mit letzter Power einen richtig flotten Schritt und vorbildlichen Laufstil für das Zielfoto zu präsentieren, ehe ich überglücklich über die Ziellinie lief. Wow! Das ist also ein Marathon! Es klingt vielleicht für den Laien komisch, aber ich finde, es hat Spaß gemacht. Wie angekündigt, ist der Tag danach hart. Der Hundespaziergang fiel etwas langsamer aus als sonst. Rückblickend war es mein persönlicher Saisonhöhepunkt, einfach weil es nicht geplant war und ich dabei auf all die tollen Wettkampferlebnisse in den vergangenen Monaten zurückblicken konnte.
Text: Franziska Dietrich
Fotos: privat