An sich zu glauben, wenn es nicht gut läuft, hat sehr viel mit mentaler Stärke zu tun. Mentale Stärke fällt nicht vom Himmel, man muss sich mit dem Thema beschäftigen, das hat Juli aus ihrer ersten Triathlon-Langdistanz gelernt.
2010 startete ich als 20-Jährige nach zwei Jahren Triathlonerfahrung bei meiner ersten Langdistanz in Roth. Ich trainierte zehn Monate, wie ich es noch nie zuvor getan hatte. Allerdings alles im Rahmen einer Hobbyathletin. Damit meine ich – ohne Laktattests und ohne Wattwerte. Ich besaß aus einer Triathlonzeitschrift einen Trainingsplan. Dieser war nach Finisher- oder persönlicher Bestzeit aufgeteilt. Es wurden keine genauen Intensitäten oder Umfänge angegeben, sondern lediglich gesagt, welche Sportart, wann in der Woche zu absolvieren sei. Nichtsdestotrotz befand ich diesen Plan für mein Unterfangen als gut genug. Ich trainierte nach ihm und gab alles, um diesen Plan einzuhalten. Mir war klar, dass ich die Finishline nur sehen würde, wenn ich diesen akribisch abarbeite würde. Daher habe ich jede Einheit mit einem Stift abgehakt.
Mein erster Ironman war keine schöne Erfahrung
Die Challenge Roth war für mich trotz der vielen Trainingseinheiten eine fürchterliche Erfahrung. Ich habe schwer gelitten. Jegliches Training, das ich absolviert hatte, hatte mich nicht auf das Rennen an sich vorbereitet. Ich hatte Schmerzen … fürchterliche sogar. Nicht einmal die Tatsache, dass ich die Finishline erreichte, konnte mich erheitern. Ich war fertig und kippte im Zielbereich einfach um, sodass die Sanitäter mich auf einer Barre aus dem Zielbereich tragen mussten. Meine körperlichen Beschwerden waren nach einer Woche so gut wie weg, was mich allerdings sieben Jahre davon abhielt, wieder eine Triathlon-Langdistanz zu machen, waren nicht die körperlichen Schmerzen, sondern mein Kopf. Mit dem Thema mentale Stärke hatte ich mich nicht beschäftigt.
Ohne Kopf geht gar nichts im Triathlon
Ich dachte, dass Triathlon einfach Schwimmen, Radfahren und Laufen ist. Die vierte wichtige Komponente, den Kopf, hatte ich komplett vergessen. Ich habe mich 42,2 Kilometer lang beschimpft. In meinem Kopf herrschte Chaos: „Was mach ich hier eigentlich? Warum mache ich das? Bin ich noch ganz dicht? Warum sitze ich nicht einfach auf der Couch? Ich bin nicht gut genug, hier zu sein … nicht stark genug? Weshalb glaubt jemand so schwaches wie ich, dass er eine Triathlon-Langdistanz machen kann?“ Und diese Fragen sind nur so nett formuliert, weil ich hier nicht genau wiederholen möchte, wie sehr ich mich beschimpft habe. Ich hatte meinen Kopf „weggeworfen“ und das schon auf den letzten Radkilometern. Diese Erfahrung, mich selbst so sehr zu bemitleiden und sogar zu hassen, war der Grund für meine siebenjährige Langdistanz-Abstinenz. Ich hatte schlicht und ergreifend einfach Angst. Angst davor mich selbst wieder komplett auseinanderzunehmen.
Wie der Zufall es wollte …
Sieben Jahre später habe ich durch Zufall sieben Wochen vor dem Ironman Frankfurt einen Startplatz gewonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich fünf Jahre mehr Triathlonerfahrung gesammelt, hatte wieder Freude an den drei Disziplinen gefunden und war immer wieder mit Freunden aus Spaß länger Rad gefahren. Ich hatte also die Wahl, mich der Angst zu ergeben und keine Langdistanz mehr zu machen oder endlich an meinen Selbstzweifeln zu arbeiten. Ich entschied mich für letzteres. Ich ging an den Start, obwohl ich wusste, dass ich nicht die Vorbereitung von 2010 hatte. Warum?
Die Antwort ist simpel. Ich wusste, dass ich mental stärker war, als ich es damals war. Innerhalb der zwei Rennen bin ich nicht nur älter geworden, ich habe Zuversicht in meine sportlichen Fähigkeiten gewonnen. Ich wusste, was mich erwartete und kannte das worst case-Szenario. Ich konzentrierte mich nur darauf, Spaß an den Sportarten zu haben und mir den Zielbereich vorzustellen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass es nicht mehr darum ginge, ob ich es schaffe, sondern dass ich es gut schaffe. Jedoch machte ich mir nichts vor. Ich sagte mir auch, dass der Marathon hart werden würde, aber ich stark genug sei, um mich dieses Mal nicht fertigzumachen.
Während des Marathons beschimpfte ich mich dieses Mal nicht ein einziges Mal, sondern wiederholte Mantra-artig die Worte, „slow and steady“. Ich machte mir klar, dass um mich herum gerade alle anderen den gleichen Kampf kämpften. Ich gab nicht auf und erreichte die Finishline.
Ich hatte mich mental nicht aufgegeben
Das größte Gefühl dabei war für mich: Ich hatte an mich geglaubt. Klar, könnte man jetzt sagen, ich war einfach körperlich fitter und hatte mehr Erfahrung. Ich wäre allerdings nicht mit diesem Ergebnis ins Ziel gekommen, wenn ich meinen Kopf nicht vollkommen auf die positiven Gedanken fokussiert hätte.
Mentale Stärke ist trainierbar
Wie wichtig die mentale Stärke ist, weiß man erst, wenn man es selbst ausprobiert hat. Probiert es im Alltag aus. Steht morgens auf und sagt euch, dass es ein super Tag wird. Lasst euch nicht verunsichern. Fühlt euch gut … und dann schaut, wie ihr euch am Ende dieses Tages fühlt.
Text: Juli Cardoso Ramalho Ortigao
Fotos: privat