Carolin Köhler erzählt ihre Geschichte, wie sie als Anti-Ausdauersportlerin zur begeisterten Triathletin wurde.
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie genau das alles passieren konnte, denn wenn es einen Sport gab, der mir nie lag, dann war das Ausdauersport. Stundenlang durch die Gegend laufen ohne Ziel? Schwimmen, ohne dass ich hinterher auf einem Board stehe? Und auch das Radfahren konnte ich mir nicht im Traum vorstellen.
Die Wandlung zur Triathletin
Ich habe schon immer großen Respekt vor allen, die in der Königsdisziplin des Ausdauersports, dem Triathlon, unterwegs sind. Auf Hawaii stand ich in Kona ehrfürchtig vor dem Schild, das auf dem Ali’i Drive den Start und das Ziel des Ironman markiert. Ich hatte sogar ein bisschen Gänsehaut. Denn obwohl ich Ausdauer-Sportarten bisher wirklich nicht mochte, war in meinem Kopf diese Stimme. Die Stimme der Faszination. Die „Das-will-ich-auch-können“-Stimme. Sie flüstert meist leise, dafür aber sehr beharrlich und überredet mich gerne dazu, Dinge, die ich nicht kann, in Angriff zu nehmen. Zum Beispiel dazu, letztes Jahr einfach mal jede Woche eine andere Sportart zu machen. Bei 52weeks52sports waren auch Laufen, Schwimmen und Radfahren dabei. Ich schleppte mich beispielsweise durch einen 5-km-Frauenlauf. Meine liebe Freundin und Ironwoman Anita scheuchte mich durch eine heftige Spinning-Runde. Schwimmtrainerin Caro gab sich eine Stunde lang Mühe, aus meinen Stil „absaufende Windmühle“ ordentliches Kraul-Schwimmen zu machen. Mit Erfolg. Noch im Wasser hatte ich es schneller ausgesprochen, als ich denken konnte: Ich starte nächstes Jahr bei meinem ersten Triathlon. Ich möchte eine Triathletin werden. Ups. Plötzlich gab es kein Zurück mehr. Caro bot an, mich zu trainieren und suchte ein passendes Rennen für mich aus. Und seit ich beim Triathlon Ratingen auf den Anmelde-Button gedrückt habe, hat sich in meinem Leben so einiges geändert:
1. In meinem Wohnzimmer wohnt ein Fahrrad
Ich halte das für völlig normal, wo soll das teure Ding bitte sonst stehen? Im Schlafzimmer ist schließlich kein Platz mehr. Und als wäre es noch nicht genug, dass mein Mann und ich jetzt mit einem Fahrrad in einer WG leben, hat das schicke Teil auch noch einen Namen: Herr Meier. Mir blutet jetzt schon das Herz, denn Herr Meier wird nach Ratingen wieder ausziehen. Er ist nur geliehen. Ein eigenes Rennrad ist schließlich viel zu teuer. Wobei …
2. Bikini-Streifen sind Trophäen einer Triathletin
Früher wendete ich mich am Strand regelmäßig. Auf dem Bauch habe ich mich oben ohne gesonnt. Die Bikini-Träger sorgfältig hin- und hergeschoben. Hauptsache nahtlos braun. Jetzt sehe ich aus, wie ein Streifenhörnchen. Ein Streifen auf der Mitte der Oberschenkel. Eine Bräunungskante auf den Oberarmen. Lustige Muster von verschiedenen Sport-BHs und Shirts auf den Schultern. Ein weißes Kreuz auf dem Rücken. Und natürlich der obligatorische weiße Sportuhr-Streifen am Handgelenk. Ich trage sie alle mit Stolz.
3. Meine Freunde glauben, dass ich verrückt geworden bin
Montags Radfahren, dienstags Schwimmen, mittwochs Laufen und dann das Ganze von vorne. Dazu noch Yoga, Stabi-Training und meine anderen Hobbys Taekwondo und Wakeboarden. Bei vielen löst das Verständnislosigkeit aus: „Ich weiß nicht, ob das noch gesund ist“ oder „wann hast du denn noch Zeit für dich?“ Wer einmal länger auf dem Rennrad gesessen hat oder morgens durch den ruhigen Park gelaufen ist, weiß, so viel Zeit für sich alleine, hat man selten. Und zum Thema gesund: Ich halte mein Sportprogramm für deutlich gesünder, als sieben Stunden vor dem PC und noch zwei Stunden auf dem Sofa zu sitzen.
4. Ich spreche eine fremde Sprache
Ich laufe nicht einfach schnell oder langsam, ich habe eine Pace. Und die hängt von Dingen wie GA1, GA2 oder Rekom ab. Ich schwimme auch nicht einfach, nein, ich wrigge manchmal. Darüber hinaus habe ich ziemlich Angst vor dem Cut-Off, während ich gleichzeitig von einer OD oder sogar von einer MD träume. Meine VO2max verfolgt mich bis in meine Träume und meine Cleats und ich sind bisher noch keine Freunde geworden. Aber das wird alles. Ganz sicher!
5. Style hat eine völlig neue Definition
High Heels sind bei mir Sneakers und das Kleidchen ein Tank Top. Make-up brauch ich nicht, ich schwitze oder schwimme ich es eh gleich wieder runter. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht mehr, was ich mal gegen Neonfarben hatte. Und meine pinke, verspiegelte Sonnenbrille lässt sich auch hervorragend im Alltag tragen. Genauso wie die bequemen Badelatschen. Außerdem traue ich mich auf einmal, kurze, enge Hosen zu tragen. Sch… auf Cellulite. Ich bin eine Triathletin!
6. Ich habe eine neue Wäschetonne
Als ob es nicht reichen würde, dass Herr Meier im Wohnzimmer wohnt, teilt er sich den wenigen Platz mit mindestens einem Wäscheständer. Und zwar ständig. So wie der Inhalt meiner Sportsachen-Schublade gewachsen ist, so ist auch der Berg an Schmutzwäsche gewachsen. In unserem Bad gibt es jetzt eine extra Tonne für Sportklamotten. So ist ein völlig neuer Kreislauf in meinem Leben entstanden: Leine – Training – Waschmaschine – Leine – Training – Waschmaschine.
7. Ich lerne die StVO neukennen
Was so ein Perspektivwechsel mit einem Menschen machen kann. Vor einem halben Jahr habe ich noch genervt die Spur gewechselt, wenn ein Radfahrer alles blockierte. Jetzt bin ich selbst eine nervige Radfahrerin. Versuche, nicht im Weg zu sein und trotzdem zu überleben. Und ich hoffe, dass mich die Autofahrer mit mindestens 1,50 Meter Abstand überholen. Ich bestehe auf mein Recht, auch als Radlerin und Triathletin am Verkehr teilnehmen zu dürfen.
8. Mein Repertoire an Krankheiten
hat sich auf spannende Weise erweitert seit ich Triathletin bin
Shin Splints klingt cool, ist es aber nicht. Die Plantar-Faszie ist ein Körperteil, auf die man hören sollte, wenn sie meckert. Die Achillodynie ist ein Garant für eine Trainingspause. Zum Glück bin ich gerade noch so an ihr vorbeigekommen. Gegen das Piriformis-Syndrom hilft Yoga oder die Blackrollm, die mir ohnehin von allen Seiten als Wunderheilmittel angepriesen wird. Allerdings tut ihre Anwendung manchmal so weh, dass mir leichte Zweifel kommen.
9. Mein Biergeschmack ist völlig außer Kontrolle geraten
Bis vor kurzem gehörte ich zu den Menschen, die absolut überzeugt vom Bier ihrer Heimatstadt waren. Und gerade bei uns Kölnern ist das ein sensibles Thema. Wir mögen kein Pils und kein Weißbier. Aus Prinzip nicht. Und alkoholfreies Bier ist völlig indiskutabel. Aber dann kam dieser Lauf. Und es war heiß und ich war durstig. Im Ziel drückte mir jemand diesen Becker in die Hand. Die Flüssigkeit glitzerte goldfarben, kleine Perlen stiegen unter der Schaumkrone auf und das Gefühl, als das Getränk meine trockene Kehle runterfloss, war unbeschreiblich. Tja, plötzlich mag ich alkoholfreies Weizen. Ich darf es nur niemandem verraten, sonst werde ich wo möglich ausgebürgert.
10. Ich weiß, wie sehr ich geliebt werde
Da ist dieser eine Mensch, der Verständnis für diesen ganzen Quatsch hat. Der mich wie eine Olympiasiegerin bejubelt, wenn ich mich über die Ziellinie schleppe. Der mich auf dem Mountainbike begleitet, wenn ich noch mit dem Rennrad raus muss. Der mir einen Trisuit schenkt, der mir für den ersten Wettbewerb Glück bringen soll. Der mich hin und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt, wenn ich zu nervig werde, denn wie habe ich vor Kurzem gelesen: „Woran erkennst du einen Triathleten? – Er wird es dir erzählen!“
Text: Carolin Köhler
Fotos: privat
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