Anja Beranek wollte dieses Jahr beim Ironman Hawaii an der Startlinie stehen. Der Ebstein Barr Virus machte dieses Ziel zunichte. Die 33-Jährige erzählt im Interview, wie sich das anfühlt.
Anja, wie geht es dir mit dem Gedanken, dieses Jahr nicht nach Hawaii zu reisen?
Um ehrlich zu sein, bin ich sehr traurig und enttäuscht. Bis Mai liefen meine Vorbereitungen und Planungen nahezu perfekt. Ich hatte mir über den Winter eine sehr gute Form erarbeitet und hätte niemals mit so einem Saisonverlauf gerechnet. Aber Sport und vor allem Triathlon ist leider nicht berechenbar. Und wenn ich nach links und rechts zu anderen (Weltklasse-)Athleten schaue, dann bin ich zumindest nicht ganz alleine vom Krankheits- bzw. Verletzungspech betroffen. Gesund, körperlich fit und mental frisch in Kona an der Startlinie zu stehen, ist definitiv eine Herausforderung.
Im Sport ist nicht immer alles planbar und Profi-Sportler sind auch keine Maschinen. Wird man in Momenten der Krankheit/Verletzung demütiger und weiß manch erbrachte Leistung im Nachhinein mehr zu schätzen? Braucht man manchmal solche Denkanstösse?
Demut und wohl auch ein bisschen Übermut sind Eigenschaften, die wir alle mitbringen müssen, um Langdistanztriathlon zu betreiben, aber so eine Krankheit erdet enorm und ich habe in den letzten Wochen vor allem wieder erfahren, wie viel mir der Sport bedeutet. Wenn dir etwas genommen wird, dann merkst du auf einmal, wie sehr du es vermisst und wie wichtig es dir ist. Dieses Gefühl geht im Trainingsalltag hin und wieder verloren.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Denkanstoß tatsächlich gebraucht habe. Aber durch diese Tiefen fühlen sich die Höhen noch viel besser an! Leider gehören beide zum Profisport dazu – auch wenn mir die Höhen lieber sind! 😉
Du hattest vor Jahren schon einmal Peiffersches Drüsenfieber. Kannst du kurz erklären was das ist und wie man sich davor „schützen“ kann?
Der EBV (Ebstein Barr Virus) ist eine virale Infektion, mit dem ein Großteil unserer Bevölkerung – meist im Jugendalter – in Kontakt kommt. Er wirkt sich sehr unterschiedlich aus. Manche Menschen sind so entkräftet, dass sie nicht mal das Haus verlassen können und andere bemerken, so wie ich, lediglich einen Leistungsabfall und Müdigkeit. Die Symptome sind ähnlich einer Grippe und die Lymphknoten schwellen an. Ich hatte diesen Virus bereits vor 15 Jahren. In seltenen Fällen, wie in meinem, ist er reaktivierbar. Das Problem ist, dass wir Leistungssportler oft körperlich am Limit sind, dadurch ist unser Immunsystem häufig geschwächt und wir sind anfälliger für Krankheiten.
An welche Momente auf Big Island erinnerst du dich besonders gerne?
An meinen Zieleinlauf 2016 (Anmerkung der Redaktion: 2016 wurde Anja Vierte) . Zwar wird mir immer noch schwindelig, wenn ich an das geschlagene Rad über die Ziellinie denke 😉 . Aber dieses Gänsehaut-Freude-Erleichterungs-Lächeln macht mich heute noch überglücklich.
Was sind deine Tipps, um auf Kona eine richtig gute Zeit zu haben – im Rennen und auch sonst?
In Kona eine gute Zeit zu verbringen, ist einfach – der hawaiianische Gute-Laune-Flair sowie Sommer, Sonne und Meer machen jeden Tag zu einem Besonderen. Im Rennen eine gute Zeit zu haben, ist hingegen schwer und auch schwierig zu beantworten. Für mich war 2016 rückblickend entscheidend, dass ich mental bereit war für ein gutes Rennen, ohne mich zu sehr unter Druck zu setzen – eine Mischung aus starken Willen auf der einen Seite und der Lockerheit auf der anderen Seite, waren perfekt. Hinzu kam ein für mich positiver Rennverlauf. Ich war von Beginn an in der Führungsgruppe und kam auf dem Rad mit Daniela schnell in einen „Flow“. Positive Emotionen und Gedanken waren für mich der Schlüssel zum Erfolg.
Wie lautet dein Tipp fürs Frauenrennen dieses Jahr?
Ich denke es ist keine Überraschung, wenn ich Daniela Ryf als die Favoritin für den Sieg nenne. Sie hat dieses Jahr noch einmal zugelegt und sie wird wohl schwer, nicht zu schlagen sein. Chancen auf das Podium zu kommen, haben aus meiner Sicht gleich ein paar weitere Mädels Lucy Charles, Heather Jackson, Mirinda Carfrae, Kaisa Sali und für Anne Haug würde ich es mir sehr wünschen.
Du bist jetzt wieder gesund und kannst wieder trainieren. Wie sehen deine Planungen für 2018/2019 aus?
Da bin gerade drüber. Hawaii hat auf jeden Fall die oberste Priorität!
Interview: Meike Maurer
Fotos: Ingo Kutsche