Wie man sportliche Ziele definiert und auch erreicht, weiß Ricarda Lisk aus jahrelanger eigener Erfahrung. Die Ex-Profitiathletin und Trainerin gibt Tipps zur Vorgehensweise.
Die Silvesternacht ist schon ein paar Tage her, das neue Jahr bereits in vollem Gange, und wer kennt diese Situation nicht: Die tollen Vorsätze, die man sich zum Jahresende gemacht hat, sind bereits in der Schublade vergraben und vergessen.
Wir Triathletinnen haben es allerdings auch doppelt schwer. Im späten Herbst, wenn man durch bunte Wälder radelt – der letzte Wettkampf und die verdiente Saisonpause liegen gerade erst hinter einem – quillt man über vor Motivation und neuen Zielen: Nächstes Jahr will ich schneller sein, mich im Schwimmen verbessern, den ersten Ironman bestreiten, mich für die Weltmeisterschaft qualifizieren und und und. Die Realität sieht meist anders aus: Die Tage werden kürzer, der kalte Winter kommt, das Arbeitsleben holt einen immer wieder ein, und die Trainingseinheiten werden kürzer oder fallen sogar ganz aus. Die Motivation sinkt.
Träum doch mal!
Ich glaube, es gibt nichts Motivierenderes, als sich neue Ziele auszusuchen und davon zu träumen, wie es wäre, wenn man sie erreicht, ohne zunächst die Arbeit dahinter zu sehen. Sich dem Traum hinzugeben, in einer tollen Landschaft zu trainieren, um im Wettkampf in den Zielkanal einzulaufen und zu wissen: Man hat es geschafft.
Nicht gleich übertreiben
Natürlich dürfen die Ziele entsprechend groß sein. Von 0 auf 100 einen Ironman zu finishen, ist möglich, aber sicher nicht immer der cleverste Weg. An dieser Stelle ist eine realistische Einschätzung und Planung gefragt. Wer seine Ziele zu hoch ansetzt, wird zwangsläufig frustriert werden, denn der richtige Spaß, das unglaubliche Gefühl, die Belohnung für das sportliche Durchhaltevermögen setzen im Moment der Zielerreichung ein. Wer noch nie einen Triathlon absolviert hat, sollte sich als ersten Schritt einen Sprint-Triathlon vornehmen. Das ist wesentlich naheliegender und realistischer, als sich direkt eine Langdistanz als Ziel zu setzen. Das Glücksgefühl, das beim Zieleinlauf eines Sprints-Triathlons aufkommt, kann genauso erfüllend sein! Warum? Weil man sein Ziel erreicht hat. Und ganz ehrlich: Wer möchte diesen Moment, diese positiven Emotionen ernsthaft mit einem DNF („Did not finish“) tauschen?
Alternative Ziele
Genauso verhält es sich zum Beispiel auch mit dem Dauerbrennerthema und Lieblingsziel vieler Frauen, dem Abnehmen. Du möchtest gerne die Winterkilos verlieren? Verzichtest dafür an einem Tag auf jegliches Süßes, nur um am nächsten Tag wieder zuzugreifen? Nehme dir lieber ein bis zwei Tage in der Woche vor, an denen du zum Beispiel vegetarisch oder vegan isst. So konzentrierst du dich auf das, was du zu dir nimmst, bekommst neue Kochideen und setzt dich mit den Lebensmitteln, die du verwendest, auseinander.
Die Tour de France als Vorbild
Plane deine Zielerreichung in Etappen. Nehmen wir die Tour de France als Beispiel. Der Prolog ist die Vorbereitung, in der du dein Training in den Alltag einplanst. Bei den ersten Etappen gilt es, einen Rhythmus zu finden beziehungsweise eine gewisse Regelmäßigkeit beim Training einkehren zu lassen. Etappenziele können neue Trainingsbestzeiten oder auch Laufwettkämpfe sein. Das Teamzeitfahren ist der erste Saisonhöhepunkt oder beispielsweise eine Mitteldistanz oder der oben beschriebene Sprint-Triathlon. Wenn es zum zweiten Mal in die Berge geht, stellt das die unmittelbare Wettkampfvorbereitung dar, die mit Umfang und Intensität dich bereits an deine Grenzen gehen lässt. Die Paris-Etappe, die Champs-Élysées, ist das eigentliche große Ziel, der Saison-Höhepunkt. Und ich bin mir sicher, dass jeder Radfahrer im Frühjahr ganz oft von der Champs-Élysées träumt.
Bin das ich?
Es ist wichtig, zu wissen, warum du dein persönliches Ziel erreichen möchtest. Kann es sein, dass du es dir nur jemandem anders zuliebe vornimmst? Man muss nicht immer den schwersten, extremsten Wettkampf machen, um zu beeindrucken. Sport zu machen, sich zu bewegen, draußen in der Natur zu sein, kann Ziel genug sein. Du solltest auch wissen, wie dich dein Ziel beeinflusst. Musst du nur deinen Schweinehund aus dem Weg räumen oder Zeit opfern, die dir auch für anderes wichtiger ist – Zeit zum Beispiel für deine Familie und Freunde? Die Sportart Triathlon ist eine aufwendige Sportart. Das hat allerdings den Vorteil, dass man viel Zeit für seine Gesundheit nutzt. Wird es allerdings zu viel, artet es in Stress aus und greift das Training deine Gesundheit eher an, als dass es ihr guttut, sollte man die gesetzten Ziele und die Prioritäten überdenken. Denn eines ist klar: Ihr seid keine Profis, die mit dem Sport ihr Geld verdienen müssen, daher sollten die Gesundheit und der Spaß immer im Vordergrund stehen.
Nimm Hilfe an
Ein Ziel zu erreichen, bedeutet oft auch, Grenzen zu überwinden. Aber aus der Komfort-Zone herauszukommen, bedeutet nicht immer gleich etwas Unangenehmes. Am besten ist es, wenn man sich die Arbeit so einfach wie möglich macht. Bevor du dir ewig Gedanken machst, was du am besten trainieren solltest, engagiere einen Trainer, der dir jeden Tag sagt, was für dich das beste Training ist. Wenn du um 6 Uhr morgens schwimmen möchtest, suche dir einen Partner oder eine Trainingsgruppe, die auf dich warten, damit du nicht einfach im Bett liegen bleibst.
Nehme dir Zeit, dein Ziel zu erreichen
Manchmal dauert es länger, ein Ziel zu erreichen. Bei manchen sogar ein halbes Leben. Selbst mit dem größten Talent wird man nicht gleich Olympia-Sieger. Es gibt Hochs und Tiefs, Zweifel, Zeiten, in denen das Ziel in weite Ferne rückt oder man es tatsächlich begraben muss. Solange du den Glauben an dich und das Ziel nicht aufgibst, wird allerdings immer alles möglich sein. Denk dran, der Wille kann Berge versetzen.
Und was, wenn es gar nicht läuft?
Nach dem ersten Umsetzen der Zielerreichung erkennt man oft, welche Arbeit dahintersteckt und kann in ein Loch fallen. Eigentlich steht nun zwei Stunden Radeln auf dem Programm, aber das Wetter draußen ist überhaupt nicht einladend. Nehme dir vielleicht genau dann nur eine Stunde vor. Das ist immer noch besser, als gar nicht zu trainieren und anschließend ein schlechtes Gewissen zu haben. Meistens packt dich nach einer Stunde eh der Ehrgeiz, und am Ende kommen sogar doch die planmäßige zwei Stunden raus. Den Schweinehund zu überwinden und anzufangen, ist manchmal die größte Kunst.
Das Ziel ist der Weg
– so werden Träume Wirklichkeit:
- Ziel definieren
- Realistisch bleiben
- Ziel in Etappen planen
- Sinn des Ziels wissen und hinterfragen
- Hilfe suchen, wenn nötig
- Zieldauer festlegen
- Disziplin trainieren und los gehts!
Ricarda Lisk – war bis 2017 Profi-Triathletin. Die Waiblingerin begann 1992 mit dem Triathlon-Sport und war seit 2000 als Profi-Sportlerin unterwegs. Die ehemalige Nationalkaderathletin erreichte bei den Olympischen Spielen in Peking den 15. Rang und besitzt die Triathlon-B-Lizenz. ricardalisk.de
Foto: Paul Lange & Co I danielgeier.net