Der Inferno Halbmarathon ist nicht irgendein Halbmarathon. Es ist das Rennen für Bergliebhaber wie Rabea eindrücklich beschreibt.
Eine Treppe mit etwa 20 Stufen, fast senkrecht die Felswand hoch bildet den Abschluss der 21,097 Kilometer langen Laufstrecke des Inferno Halbmarathons von Lauterbrunnen hinauf aufs Schilthorn. Es sind die letzten Momente bevor man über die Ziellinie auf knapp 3.000 Meter über dem Meer läuft und diese Momente sind etwas ganz besonderes.
Stolz auf das Geleistete mischt sich mit absoluter Erschöpfung. Jedes Kraftkörnchen im Körper scheint aufgebraucht … und doch fühlt es sich fast schwerelos an, diese Stufen Schritt für Schritt zu nehmen. Der letzte Kilometer verlangt den LäuferInnen nochmals alles ab – 400 Höhenmeter sind am Fels zu überwinden, zum Teil kraxelnd, den Weg durch den Fels suchend, auf 2.600 Meter Höhe, erschöpft von den vielen Höhenmetern, die bereits hinter einem liegen, immer wieder darum bemüht, das Gleichgewicht zu halten.
Die Oberschenkel brennen, so kämpft man sich Meter für Meter diesen Schlussanstieg hinauf. Es folgt eine 100 Meter lange Gatewalk Passage, der Schilthorngrad, rechts und links steil abfallend und nur durch Netze gesichert, der einem vor Augen führt, in welch schwindelerregenden Höhen man sich bewegt. Emotional ein Highlight und sehr eindrücklich.
Der Inferno Halbmarathon, das ist
Berglauf von seiner intensivsten Seite
Tänzelnd schafft man die steilen Passagen auf losem Untergrund bevor es die letzten Meter zu besagter finalen Treppe geht. Nicht nur die Strapazen, die hinter einem liegen, überwältigen einen, die Anstrengung in der Höhe, das Geleistete, der mentale Kampf, sondern auch die majestätische Bergwelt, die einen oben auf dem Schilthorn erwartet. Eine großartige Entschädigung und Wohltat für all die Anstregungen. Vor allem, wenn das Wetter so perfekt ist, wie es bei der diesjährigen Austragung des Inferno Halbmarathons war. Doch der Reihe nach.
Einmal infiziert …
Man sagt, einmal vom Infernovirus infiziert, wird man ihn nicht mehr los. Dem ist genau so. Meike und Rabea hatten sich dieses Jahr gegen einen Couple-Start am Inferno-Triathlon entschieden.
Mangels Radkilometer und unklarem Gesundheitszustand im Frühjahr und zu wenig Zeit fürs Training, kam für Rabea auch kein Einzelstart infrage. Sie liebäugelte schon länger damit, den Halbmarathon hinauf aufs Schilthorn zu laufen … das war die Gelegenheit.
Neue Herausforderung
Von ihrem Einzelstart beim Inferno Triathlon vor drei Jahren kannte Rabea den Streckenverlauf von Lauterbrunnen über Mürren durch das Kanonenrohr hinauf aufs Schilthorn. Doch während es damals darum ging, einfach zu laufen und irgendwie aufs Schilthorn zu kommen, stellte sich ihr dieses Mal im Vorfeld die Frage, wie man diesen Halbmarathon am besten angeht. Welches Tempo anschlagen? Wie das Rennen einteilen, ohne zu überpacen? Rabea’s Plan war daher, ein gutes Tempo bis Mürren zu laufen, die steilen Passagen so zügig wie möglich zu wandern – etwas anderes ist auch gar nicht möglich – und zwischendurch so häufig wie möglich, in den Laufschritt zu wechseln. Rabea stellte jedoch auf den acht Kilometern zwischen Mürren und Piz Gloria fest, dass ihr viele Teilabschnitte nicht mehr wirklich im Gedächtnis waren. War das wirklich damals auch so höllentsteil? Teilweise fühlte sie sich im Kanonenrohr eher wie an einer Felswand beim Klettern. Stellenweise ist diese Passage so steil, dass man das Gefühl hat auf allen Vieren zu kriechen, um übehaupt das Gleichgewicht halten zu können.
Finde dein Tempo
Auf den ersten zwölf Kilometern, sind vom Start in Lauterbrunnen (795 m.ü.M.) bis Mürren (1.640 m.ü.M.) rund 850 Höhenmeter zu bewältigen. Beim ersten Streckenabschnitt geht es kontinuierlich den Berg hinauf – nicht steil, wenig technisch und noch recht gut rennbar. Einen Großteil läuft man auf breiten Schotterwegen, zwischendurch geht es über eine kurze Waldtrailpassage und die letzten vier Kilometer bis Mürren sind nahezu flach. Eigentlich genau nach Rabeas Geschmack. Doch schon auf diesem ersten Teilabschnitt hatte Rabea Mühe, ein für sie passendes Tempo zu finden. Rabea lief eher „vorsichtig“ – die acht Kilometer, die hinter Mürren auf die Teilnehmer warten, flößten Rabea scheinbar zu viel Respekt ein. Auf der „flachen Passage“ dümpelte sie vor sich hin bis ein schneller Läufer von hinten kam. Pacemaker gefunden und dran gehängt, was im Nachhinein goldwert war. Danke an Mr. Unbekannt fürs Tempomachen!
Eindrücklich einzigartig
Ab dem Bergdorf Mürren geht es dann richtig zur Sache. Die idyllische Berglandschaft wird zunehmend alpiner, der Weg anspruchsvoller. Die sogenannte „Höhenlücke“, die erste richtig steile Passage, ist allerdings nur ein Vorgeschmack auf die folgenden Kilometer: das legendäre Kanonenrohr.
Während dieses im Winter beim Inferno-Abfahrtsrennen dem ein oder anderen Skifahrer zu Höchstgeschwindigkeiten verhilft, erlebt man beim Hochlaufen fast Stillstand. Die Oberschenkel brennen, während man versucht, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Der Schotterweg ist inzwischen eher ein Geröllfeld aus lockerem Gestein, was die Sache nicht unbedingt einfacher macht. In Serpentinen kämpft man sich auf die Oberschenkel abstüzend die etwa zwei Kilometer lange Teilstrecke hinauf. Zum Teil hat man das Gefühl, mit der Nasenspitze den Boden zu berühren, so steil ist es. Leidenschaft ist hier gefragt. Nur nicht stehen bleiben, denn sonst würde man wahrscheinlich rücklings nach hinten kippen. Langsam merkt man auch die Höhe. Die Luft wird dünner. Die Landschaft zieht einen in ihren Bann, sodass man sich Meter um Meter vorwärtskämpft. Man hat nur noch einen Gedanken: einfach weitermacht, nicht stehen bleiben.
Zum ersten Mal erhascht man einen Blick auf den Schlussanstieg und das Schilthorn, das allerdings noch unglaublich weite fünf Kilometer entfernt ist.
Bis zum Schlussanstieg wird der Weg wieder etwas einfacher, auch laufen ist wieder möglich. Die letzten eineinhalb Kilometer haben es allerdings nochmals in sich. Das Gelände ist inzwischen hochalpin, in Fels gehauene Stufen und schmale Wege führen einen das Felsmassiv empor Richtung Schilthorngrat. Eindrücklich ist die Sicht auf die umliegende Bergwelt und einzigartig ist jenes Gefühl zwischen nötiger Kraft, Erschöpfung und den vielen Emotionen.
Rampentraining …
fit für den Inferno Halbmarathon
Und, habt Ihr Lust bekommen, das Schilthorn zu erklimmen? Der Inferno Halbmarathon ist mit Sicherheit ein Highlight und wer ihn gern mal laufen würde, der sollte das unbedingt tun. Es ist nicht nur die imposante Bergwelt – umgeben vom Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau, sondern die einzigartige Streckenführung des Infernos, die diesen Lauf besonders machen.
Die wichtigste Voraussetzung, die ihr mitbringen solltet ist eine große Leidenschaft für die Berge. Wer bereit ist, an seine Grenzen zu gehen, der ist bereit für den Inferno. Technisch ist der Inferno gut machbar; es sind keine schwierigen Passagen zu bestreiten. Es ist vielmehr der Kopf, die mentale Stärke, die euch nach oben aufs Schilthorn bringen wird und Match entscheidend sein kann.
Wichtig ist sicher im Vorfeld, einige Höhenmeter beim Laufen zu sammeln und zügiges Wandern in steilen Abschnitten zu üben. Wer wie ich nicht gerade Berge vor der Haustür hat, kann alternativ trainieren. Zum Beispiel eine etwa zwei Kilometer lange Bergaufpassage suchen und diese zügig Hochrennen, locker runter und wieder hoch. Das Ganze drei bis vier Mal. Je steiler desto besser. So habt ihr ein schönes Rampentraining. Natürlich sollten auch die langen Läufe berghoch in der Vorbereitung nicht fehlen. Da mein Zeitbudget recht begrenzt ist, ist das Rampentraining für mich eine Art Schlüsseleinheit geworden. Macht Spaß und ist effektiv.
Noch ein kleiner Tipp am Rande für alle Musik affinen LäuferInnen unter euch, die sich gern eine mentale musische Stütze verschaffen: verinnerlicht euch den Refrain „Chliini Händ“ von Kunz – Achtung schweizerdeutsch :-} – läuft bei meinen Kids an manchen Tage hoch und runter und daher habe auch ich den Text gut verinnerlicht. Die Melodie hilft, gerade an steilen Stellen und auch in anderen schwierigen Lebenslagen ;)….“Schritt für Schritt, d Berg daruuf…“ lalala :). Unbedingt mal anhören.
Wir können den
Inferno Halbmarathon nur empfehlen
Der Inferno ist wirklich ein top organisiertes Event mit viel Herzblut. Nicht nur beim Orgateam, sondern auch bei jedem einzelnen Helfer merkt man die Freude … alle feuern einen an, man wird gut verpflegt und der Empfang im Ziel ist herzlich. Das ist nicht selbstverständlich und das tut uns Sportlern unheimlich gut! Einziger Wehmutstropfen war die Rückfahrt bzw. Rückfahrten mit vier Gondeln bis ins Tal, die durch die vielen Leute auf dem Schilthorn an einem schönen Tag zu einer recht zeitaufwendigen Angelegenheit werden können. Aber irgendwie muss man die gemeisterten 2.200 Höhenmeter ja auch wieder hinunterkommen und Runterlaufen war leider an diesem Tag keine Option mehr für die kaputten Beine.
Text: Rabea Vögtle
Fotos: www.alphafoto.com