Wenn die Hormone verrückt spielen, hat das meist extreme Auswirkungen auf unsere Leistungsfähigkeit und unser Wohlbefinden. Oft werden die kleinen Botenstoffe gar nicht gleich verdächtigt. Diese Erfahrung musste auch Antje machen.
Schlafstörungen, Kopfschmerzen, erhöhter Ruhe- und Belastungspuls, Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen und dann wieder Frieren, geringe Belastungsfähigkeit, sportliche Leistungseinbrüche, Stimmungsschwankungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und noch vieles mehr … unter all diesen Symptomen litt ich plötzlich Anfang 2018.
Das war eine ziemliche Belastung im Alltag, im Job und natürlich auch beim Sport. Um der Sache auf den Grund zu gehen, recherchierte ich als begeisterte Hobbymedizinerin zunächst im Internet und fand allein dort mindestens 30 mögliche Ursachen für mein Beschwerdebild. Diese reichten von Übertraining, Schilddrüsen- beziehungsweise allgemeinen Hormonstörungen, diversen organischen Ursachen bis hin zu Vitamin-, Mineralstoff-, und Spurenelemente-Mangel. Alleine der Eisenmangel, mit dem wir uns als Frauen recht häufig rumschlagen, kann für Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindelgefühle, brüchige Nägel, Blässe, Müdigkeit, Erschöpfungszustände, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, Antriebsschwäche, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit und Verstopfung sorgen.
Blutuntersuchung als erster Schritt
Nach der Suche im Internet war mir klar: Im ersten Schritt konnte nur eine Blutuntersuchung Licht ins Dunkel bringen. Da ich mich zu dieser Zeit besonders gut ernährte und auch ein sinnvolles und mit genügend Pausen bestücktes Training absolvierte, zeigten meine Blutwerte wenig Überraschendes. Es waren keine Mängel zu erkennen. Auffällig war allerdings ein deutlich erhöhter TSH-Wert. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon. Dieser Botenstoff aus der Hirnanhangsdrüse reguliert die lebenswichtige, schmetterlingsförmige, zehn bis zwanzig Gramm schwere Schilddrüse und liefert bei starker Erhöhung ein ziemlich sicheres Indiz für eine Schilddrüsenunterfunktion. Mit dieser Vermutung kam die schulmedizinische Maschinerie ins Rollen. Um die erste Diagnose zu bestätigen, wurden in einer weiteren Analyse die Serumspiegel der Schilddrüsenhormone T3 und T4 ermittelt.
Diagnose „Hashimoto“
Außerdem wurde eine Untersuchung des Serums auf sogenannte Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO) durchgeführt. Anhand von jener und einer durchgeführten Ultraschalluntersuchung war für den mittlerweile eingeschalteten Endokrinologen klar: Ich litt unter „Hashimoto“, einer Schilddrüsenunterfunktion, verursacht durch eine Entzündung des Schilddrüsengewebes. Dadurch kann das Organ nicht mehr genug Hormone produzieren, um den gesamten Organismus ausreichend zu versorgen. Die Auslöser für die Entstehung der Hashimoto-Thyreoiditis sind noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht. Vermutet wird jedoch, dass mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, damit es tatsächlich zum Krankheitsausbruch kommt. Diskutiert werden unter anderem eine genetische Veranlagung, chronische Infektionen, lang andauernde, stressige Lebensphasen, übermäßige Jodzufuhr, Rauchen und Veränderungen des Gleichgewichts zwischen den Sexualhormonen durch Schwangerschaft und Wechseljahre.
Deshalb sind Frauen von Hashimoto zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Die individuellen Beschwerden, die durch eine Hashimoto-Thyreoiditis verursacht werden können, sind ausgesprochen vielseitig, weil sie nicht nur im Bereich der Schilddrüse auftreten, sondern sehr unterschiedliche Organsysteme betreffen können. Beeinträchtigungen sind etwa in den Bereichen Haut und Haare, Herz-Kreislauf-System, Energie- und Fettstoffwechsel, Magen-Darm, Muskeln und Gelenke und Psyche möglich. Die einzige schulmedizinische Behandlungsmethode von Hashimoto besteht in dem lebenslangen Ersatz der fehlenden Schilddrüsenhormone durch die tägliche Einnahme künstlich hergestellter Schilddrüsenhormone, denn die Krankheit ist nicht heilbar. Mein Endokrinologe verschrieb mir deshalb ein Schilddrüsenpräparat mit dem Wirkstoff Levothyroxin und versicherte mir, dass die Krankheit gut in den Griff zu bekommen sei.
Wenn die Balance nicht mehr stimmt
Gut zwei Monate später ging es mir trotz der üblichen Dosierungserhöhung des Präparats – sogenanntes Einschleichen – jedoch nur geringfügig besser. Ein untragbarer Zustand für mich. Sport ging nur mit angezogener Handbremse, und auch im Beruf war Vollgas nicht möglich. Deshalb entschied ich mich für eine sportmedizinische Untersuchung, um auch die Organe wie Herz, Niere und Lunge durchzuchecken. Das Ergebnis lautete: alles in Ordnung. Und weiter ging die Suche nach der Ursache für meinen Erschöpfungszustand. Die Symptome hielten an. Ich suchte nach weiteren möglichen Erklärungen und stieß dabei auf folgenden Zusammenhang.
Die Wirkung der Schilddrüsenhormone und auch der Medikamente können bereits durch eine minimale Dysbalance von Östrogen und Progesteron erheblich beeinträchtigt werden und so Hashimoto verursachen oder eben auch verstärken.
Umgekehrt kann eine eingeschränkte Schilddrüsenfunktion Zyklusstörungen bis hin zu einem unerfüllten Kinderwunsch zur Folge haben. Für sich alleine betrachtet, hat eine sogenannte Östrogendominanz negative Auswirkungen zum Beispiel auf Haut, Knochen, das Herz-Kreislauf-System und auf die psychische Befindlichkeit. Zu einer Dysbalance kann es häufig ab dem Alter von circa 40 Jahren kommen. Sehr häufig findet man bei Frauen dann eine Östrogendominanz, die mit den ersten Symptomen der Wechseljahre einhergeht. Allerdings können auch bei jüngeren Sportlerinnen starke körperliche Belastungen den Hormonhaushalt im Allgemeinen, aber auch den Sexualhormonhaushalt im Besonderen, empfindlich stören. Darüber hinaus gelten Untergewicht und ein geringer Körperfettanteil als Belastungsfaktoren.
Dauerstress beeinflusst negativ unseren Hormonspiegel
Negativ wirkt sich auch chronischer Stress aus. Er sorgt für eine veränderte Produktion und Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Und um den Kreis zu schließen: Eine chronische Erkrankung wie Hashimoto ist ein beständiger Stressfaktor für den Körper. Um die Entzündung des Gewebes einzudämmen, schüttet der Körper große Mengen antientzündlicher Zytokine und Hormone aus. Dies wiederum hat einen hohen Cortisolspiegel mit allen seinen Nebenwirkungen zur Folge.
Östrogen-Progesteron-Ungleichgewicht
Anhand dieser eher dem Fachgebiet der Homöopathie zugeordneten Informationen beschloss ich, bei meiner Frauenärztin meine Hormonwerte checken zu lassen. Und tatsächlich kam dabei, vereinfacht ausgedrückt, heraus, dass bei mir der Östrogenspiegel im Vergleich zu einem nicht mehr messbaren Progesteronwert deutlich erhöht war. Ein gewisser Progesteronmangel ist zwar mit Anfang 50 nichts Außergewöhnliches, aber dieses Ausmaß hat meine Frauenärztin doch sehr erstaunt. Sie riet mir zu einer klassischen Hormonersatztherapie, bei der sowohl Östrogen als auch Progesteron substituiert wird. Das lehnte ich jedoch ab. Wieso noch mehr Östrogen zuführen, wenn ich ohnehin schon eine Östrogendominanz habe. Auch ein Brustkrebsfall in der Familie stimmte mich gegenüber der schubladenmedizinischen Hormonersatztherapie sehr kritisch.
Hormontherapie mit naturidentischem Progesteron
Ich kaufte mir weitere Fachliteratur, um mich über alternative Methoden zu informieren. Bewaffnet mit diesem Wissen, vielen Notizen und meinen Blutwerten, ging ich wieder zum Endokrinologen. Er erklärte mir, dass er in meinem Fall den Therapieschwerpunkt weniger auf die Unterfunktion als vielmehr auf die Östrogendominanz legen werde. Er schlug vor, den relativen Progesteronmangel mit der Gabe von naturidentischem Progesteron gezielt auszugleichen. Dabei handelt es sich um ein aus der Yamswurzel hergestelltes Hormon, das den vom menschlichen Körper produzierten Hormonen strukturell entspricht. Vorteil hier: Es gibt keine schädlichen Nebenwirkungen. Aber Achtung, auch bei naturidentischem Progesteron kann es bei einer Überdosierung im Körper zu einer Umwandlung in Östrogen kommen, weswegen die Therapie immer unter fachkundiger Aufsicht geschehen sollte.
Außerdem empfahl mir mein Arzt, auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin C, Selen und Vitamin E zu achten, ebenso auf Spurenelemente, wie zum Beispiel Zink und Kupfer. Mir gefiel diese homöopathische Vorgehensweise. Sie klang schlüssig. Im Übrigen: Die von der Frauenärztin empfohlene Hormonersatztherapie inklusive Östrogenzufuhr wäre auch seines Erachtens kontraproduktiv gewesen. Die nächsten Wochen schmierte ich mir eine etwa mandelgroße Menge des verordneten Progesterongels auf die Unterarme. Zusätzlich substituierte ich auch ohne Mangel Selen und Zink, denn neben Vitamin C und E werden diese Stoffe bei einem Entzündungsprozess vom Körper in besonders großem Maße verbraucht. Und tatsächlich, innerhalb weniger Tage war ich nahezu beschwerdefrei.
Lesson learned
Den Hormonen mit ihren Regelkreisen und Rückkoppelungsmechanismen kommt eine übergeordnete Stellung bei der Steuerung sämtlicher Stoffwechselvorgänge zu. Ohne die fein aufeinander abgestimmten Informationsübermittler können wir nicht leben. Für die Zukunft und die Wechseljahre bin ich nach diesen Erfahrungen gut gewappnet. Auch für die Wechseljahre gibt es heute interessante Behandlungsansätze jenseits der Schulmedizin.
Wichtiger Hinweis: Per se gilt, dass die Hormontherapie noch in den Kinderschuhen steckt. Entgegen der bisherigen Vermutung könnte die Hauptursache für Osteoporose nicht ein Östrogen-, sondern ein Progesteronmangel sein. Auch DHEA (Dehydroepiandrosteronacetat) kann im zunehmenden Alter auf ein krankheitsauslösendes Level sinken und spielt bei der Knochengesundheit sowohl beim Mann als auch bei der Frau eine entscheidende Rolle. Des Weiteren zeigen Studien, dass das „Anti-Aging-Hormon“ DHEA stress- und altersbedingten Vitalitätsstörungen und Ermüdungserscheinungen des Körpers entgegenwirkt. Es hat einen positiven Einfluss auf immunologische Abläufe und klimakterische Beschwerden, auf die Gesundheit von Herz und Blutgefäßen sowie einen aufbauenden Effekt auf nahezu alle Zelltypen. Außerdem kann es das Risiko, an Diabetes zu erkranken, senken. In den USA gehören DHEA-Pillen, die dort übrigens frei verkäuflich sind, längst zu den Bestsellern. Bei uns sind Endokrinologen mit der Verordnung sehr vorsichtig, zumal man noch nicht sicher ist, wie sich die Einnahme langfristig auswirkt. In diesem Zusammenhang zudem wichtig: DHEA steht bei uns auf der Doping-Liste. Die Einnahme hat für Sportler und Ärzte weitreichende Konsequenzen. Zum Beispiel darf es nur verordnet werden, wenn ein medizinischer Grund besteht.
Denkt bei langanhaltenden Erschöpfungsbeschwerden einfach selbst immer mit an einen Hormoncheck und nehmt eure Gesundheit selbst in die Hand. In diesem Sinne wünsche ich euch viel Gesundheit.
Text: Antje Laschewski
Fotos: A. Jungnickel
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