Das sagt keine Geringere als die sechsfache Ironman-Hawaii-Siegerin Natascha Badmann, und die Schweizerin weiß, von was sie redet, denn sie hat schon viele Trends im Triathlon kommen und gehen sehen.
Wir unterhielten uns mit der 53-Jährigen über verschiedene Entwicklungen im Triathlon in den letzten 30 Jahren.
Natascha Badmann, wie hat sich der Frauenanteil im Triathlon seit Deinen Anfangszeiten Ende der 80er entwickelt?
Es gibt heute viel mehr Frauen im Triathlon. Wenn ich mich alleine in unseren Trainingscamps umschaue, sehe ich oft mehr Mädels als Jungs. Früher war ich oft die einzige Frau auf dem Rad. Heute ist das nicht mehr so. Viel mehr Frauen wagen den ersten Schritt und starten bei einem kleinen Triathlon, finden Gefallen, machen weiter und trainieren fleißig – was mich sehr freut.
Was kommt Dir ganz spontan in den Sinn, wenn Du den Triathlonsport von damals mit der Triathlonszene von heute vergleichst?
Damals kannte ich alle Profi-Mädels, heute nicht mehr. Die Zeit ist deutlich schnelllebiger geworden, Athleten kommen und gehen. Ich beschreibe das gerne so: Es kommt mir oft so vor, als ob alle einen Korb voll Holz hätten, aber nur wenige mehrere Winter damit heizten. Viele heizen zu schnell, zu viel und im Sommer. So ist das Holz rasch aufgebraucht.
Hat sich in den letzten 30 Jahren die Leistung oder die Einstellung der Athleten zum Sport verändert?
Wir waren alle gleich und sind zusammen gestartet. Es gab immer die „Ehrgeizigen“ und die „Genießer“. Einige waren schneller. Das waren die Profis. Heute sind manche Altersklassenathleten sogar schneller als die Profis, und zum Teil starten bei den Age-Groupern zurückgetretene Profi-Athleten. Ich finde das nicht gut. Ich bin der Auffassung, dass es für diese Sportler eine zusätzliche Kategorie „Legends“ geben sollte. In dieser Klasse könnten zurückgetretene Profis, die noch immer Freude am Triathlon haben, starten, ohne den AK-Athleten beispielsweise die Slots für Hawaii wegzunehmen. Ich setzte mich schon seit einiger Zeit dafür ein und hoffe, bei den Rennveranstaltern irgendwann auf offene Ohren zu stoßen. Ich denke, so eine Kategorie wäre ein Mehrwert für die Wettkämpfe. Aber manche Dinge brauchen im Sport einfach ihre Zeit.
Was hat sich beim Material verändert?
Es hat einige große Entwicklungen gegeben. Allerdings war ich selbst schon recht früh innovativ unterwegs. Ich war eine der Ersten, die auf Hawaii einen Aerohelm trugen. Ich kann mich noch an die gut gemeinten Worte von Jürgen Zäck erinnern: „Lass das besser, Du wirst gekocht sein. Es ist viel zu heiß für einen solchen Helm.“ Heute fahren alle mit Aerohelm. Über die Entwicklung bei den Zeitfahrrädern müssen wir nicht sprechen. Alles ist mittlerweile auf Aerodynamik getrimmt. Persönlich bin ich froh, dass es heutzutage spezielle Frauensättel gibt. Allerdings bin ich 20 Jahre mit den Männermodellen gefahren, und das ging auch. Ich glaube nicht, dass Frauen spezielle Fahrräder brauchen. Allerdings scheitert es bei kleinen Mädels oft an der passenden Rahmengröße, da wären 26-Zoll-Bikes sicherlich von Vorteil. Ansonsten denke ich, dass die Passform immer entscheidend ist, egal, ob beim Laufschuh oder beim Neoprenanzug – wobei beim Letztgenannten die eigenen Fähigkeiten und die Bewegungsfreiheit noch zusätzlich wichtig sind.
Wie schätzt Du den Stellenwert des Triathlons heute ein?
Ich denke, Triathlon hat gerade in Europa einen sehr großen Stellenwert. Das liegt an der langen Tradition und den vielen überragenden sportlichen Vorbildern. Zudem ist Triathlon heute deutlich öfters im Fernsehen als damals, und das ist natürlich gut. Auch durch die sozialen Medien verbreiten sich alle Infos rund um unseren Sport deutlich schneller. Wenn ich daran denke, dass wir früher nach dem Ironman Hawaii regelrecht auf das Triathlon-Magazin warteten, um nachzulesen, was auf Big Island überhaupt los war. Wir fieberten fünf oder sechs Wochen darauf hin, die Show zum Rennen auf NBC zu sehen. Oder noch krasser: 1996 kaufte ich mir am Tag nach dem Rennen beim Fotografen mein Zielbild. Danach ging ich in den Kopiershop und habe daraus Postkarten gemacht und nach Hause geschickt. Das ist heute unvorstellbar.
Wie haben sich die Preisgelder verändert?
Im Normalfall waren die Preisgelder für Damen und Herren damals gleich. Natürlich waren sie nicht so hoch wie heute. Ich finde die Entwicklung sehr gut, allerdings stehen die Preisgelder immer noch nicht im Verhältnis zum Aufwand der Athleten. Nur wenige können sich ohne die Unterstützung von Sponsoren oder Eltern das Profidasein überhaupt leisten. Auch für Age-Grouper ist Triathlon kein billiger Sport.
Und wie sehr hat sich das Training im Frauentriathlon verändert? Auch mit dem Wissen von heute, dass Frauen keine „kleineren Männer“ sind.
Das ist Ansichtssache. Ich kann nur über mich sprechen. Mein Mann Toni (Anmerkung der Redaktion: Toni Hasler) arbeitete schon immer nach den neuesten Trainingsmethoden. Er tüftelte auch meine Ernährungsstrategie für mich aus und wusste, was funktioniert und was nicht. Bevor es Gels gab, mischte er mir beispielsweise eigene. Ich bin heute davon überzeugt, dass ich nur dank seines umfassenden Wissens in Sachen (Mental-)Training und Ernährung sechs Mal den Ironman Hawaii gewinnen konnte und heute noch immer gesund und fit bin. Wichtig ist, dass Trainingspläne immer individuell auf den Athleten abgestimmt werden müssen. Patentrezepte gibt es im Sport nicht. Jeder ist ein Individuum. Es gab Tage, da war ich nicht so leistungsfähig wie an anderen. Aber das ist bei jedem so und auch nicht von Bedeutung, außer man erwartet von sich selbst, eine Maschine zu sein und immer die gleiche Leistung abrufen zu können. Viel spielt sich im Kopf ab – und dazu kann ich nur sagen, dass ich schon immer ein Fan von Mentaltraining war und das auch als eine der Ersten im Triathlon praktiziert habe.
Immer mehr Sportler trainieren nüchtern, und Intervallfasten scheint sich zu einem riesigen Trend zu entwickeln. Was sagst Du dazu?
Jeder Trend hat „meist“ etwas Gutes und Wahres. Ich habe gelernt, dass es nicht gut ist, jedem Trend blind zu vertrauen und zu folgen. Wichtig ist es, den Kopf einzuschalten und zu überlegen – was bewirkt das? Was macht das mit meiner Gesundheit – jetzt und in zwanzig Jahren? Ich war in den 90er-Jahren auch Veganerin. Nach einiger Zeit mussten wir allerding feststellen, dass das nicht für meinen Nährstoffbedarf als Spitzensportlerin reichte. Klar ist, dass nicht jeder neue Trend gesund ist. Ich hoffe immer, dass alle, die einem extremen Trend folgen, keine Gesundheitsschäden bekommen.
Wie gefällt Dir die Entwicklung, dass Triathleten von heute immer mehr indoor trainieren?
Aus Sicherheitsgründen verstehe ich das, auch aus Kontrollzwecken und in Sachen Zeitmanagement. Ich habe allerdings mit Triathlon angefangen und den Sport lieben und schätzen gelernt, weil ich die Jahreszeiten erleben konnte und weil es mir nach dem Training draußen gut ging. Ich fühle mich in der Natur frei und glücklich und war immer stolz auf mich, wenn ich bei schlechtem Wetter meine Einheit durchgezogen habe. Das Wichtigste ist allerdings, dass es Spaß macht, denn dann wird eine ewige Liebe und Leidenschaft daraus.
Was rätst Du Frauen, die langfristig gesund und mit Freude Triathlon machen wollen?
Mädels, seid vernünftig! Verbrennt nicht alles Holz auf einmal und springt nicht auf jeden Trend auf. Hört auf euren Körper und euer Gefühl. Lasst euch Zeit, holt euch Rat, genießt, was ihr tut, und seid stolz auf das, was ihr erreicht. Lebt den Augenblick – denn jeder ist einzigartig!
Vielen Dank für das spannede Interview, Natascha.
Interview: Meike Maurer
Fotos: Jesper Gronnemark/Red Bull Content Pool, Dan Vojtech / Red Bull Content Pool, Mirja Geh / Red Bull Content Pool