Es gibt viele Gründe, Yoga zu machen – welche das für Triathletinnen sein können, erklärt Katja Bartsch.
Unsere To-do-Listen als Triathletinnen sind lang: wir schwimmen, fahren Rad, laufen, analysieren unsere Technik, messen Puls- und Wattwerte, beschäftigen uns mit Material, Sportoutfits und Ernährung, dehnen und exerzieren Stabi-Programme. Zeit für viel anderes bleibt dabei kaum. Neben der Frage über das „wann“ stellt sich also die Frage des „warum“, wenn es darum geht, Crosstrainings-Formen wie Yoga in den Alltag zu integrieren.
Warum AthletInnen zu Yoga & Co finden
Warum also finden immer mehr AthletInnen in ihrem engen Terminplan ein Plätzchen für Yoga & Co?
• Yoga ist ein effektives und effizientes Trainingskonzept, das Periodisierungsprozessen folgt. Immer mehr Sportler erkennen, dass Regeneration und Crosstraining wichtige Elemente eines ganzheitlichen Trainingskonzeptes sind.
• Yoga sorgt für Spaß und Abwechslung im Training – ganz unabhängig von einer systematischen Trainingsplanung.
• Häufig sind es leider Verletzungen, die uns dazu motivieren, alternative Trainingsmodelle auszuprobieren.
Ganz unterschiedliche Gründe also, aber was bietet Yoga all diesen Gruppen genau?
Fokus ist nicht gleich Fokus
All diesen Gruppen ist gemein, dass sie durch Yoga von einer verbesserten Wahrnehmung des eigenen Körpers und der eigenen mentalen Verfassung profitieren.
Bei der Selbstwahrnehmung – egal ob im Training oder in unserem Alltag – können wir drei Ebenen unterscheiden – abhängig davon, auf was wir unsere Aufmerksamkeit richten.
• Wenn wir unseren Fokus außerhalb unseres eigenen Körpers richten, so nennen wir dies EXTEROZEPTION. Im Freiwasserschwimmen müssen wir uns beispielsweise permanent orientieren und einen Überblick darüber behalten, wo wir uns im Feld bewegen.
• Legen wir unsere Aufmerksamkeit den “halben Weg nach innen”, sprechen wir von PROPRIOZEPTION. Darunter fällt zum Beispiel die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum, um Balance zu halten – etwa bei schwierigen Abfahrten auf dem Rad.
• Fokussieren wir uns auf unser tiefstes Inneres, so beschäftigen wir uns mit INTEROZEPTION. Hierbei geht es um die Wahrnehmung der eigenen Muskelaktivität, des Herzschlags, des Wärmelevels im Körper, von Schmerzen und Berührungen. Häufig sind es genau diese Empfindungen, die wir im Training oder Wettkampf permanent interpretieren. Wie wir mit diesen Empfindungen umgehen, entscheidet sich nicht nur über den Spaß am Training, sondern möglicherweise auch über die Wettkampfleistung.
Vorteilhaft ist es, diese drei Ebenen achtsam und bewusst zu verarbeiten. In unserem (Sport-)Alltag kommt vor allem die dritte Ebene häufig zu kurz. Bewusst mit der Interozeption, also der Achtsamkeit nach Innen zu arbeiten, ist ein relativ neues Konzept – sowohl in der Psychologie als auch in der Sportwissenschaft.
Übungsformen wie Yoga legen indes schon lange einen Schwerpunkt auf diesen Bereich – deshalb können wir sie hervorragend nutzen, um unsere Interozeption zu schulen.
INTEROZEPTION – Geheimzutat von Yoga & Co
Nicht nur Yogis erkennen die wichtige Rolle der Interozeption – auch im (Profi-)Sport berichten Athleten, dass ihre Topleistung davon abhängt, ob sie „jeden Millimeter“ in ihrem Körper spüren können – das ist im Grunde nichts anderes, als eine andere Beschreibung für Interozeption. Neben der ganz individuellen Empfindung des eigenen Körpers, zeigt die Wissenschaft, dass Interozeption viele handfeste Effekte hat.
Interozeption wird in Verbindung gebracht mit Depressionen, Angststörungen, Reizdarmsyndrom und Essstörungen. Gerade in performance-orientierten Sportarten wie dem Triathlon sprechen wir nicht oft und vor allem nicht gerne über solche Themen – während sie doch Realität im Spitzen- wie im Breitensport sind.Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien, dass das Training von Interozeption sich nicht nur positiv auf die oben beschriebenen Bereiche auswirkt, sondern sogar Entzündungsparameter langfristig senkt.
Egal ob zur Steigerung der persönlichen Leistung oder der Verbesserung körperlicher und mentaler Stärke – das Training von Interozeption lohnt sich.
Übungsformen wie Yoga trainieren die Interozeption – das unterscheidet Yoga von einem rein physischen Stabi- oder Dehnprogramm. Viele Yogis können nicht genau beschreiben, warum sie sich nach einer Yogaeinheit anders fühlen als nach dem Zirkeltraining. Vielleicht liegt genau in der Interozeption die Geheimzutat! Allerdings muss es nicht immer das Ausrollen der Yogamatte sein, um Interozeption zu üben. Der „Check-in“, den wir in den nächsten Zeilen vorstellen, ist ebenfalls ein hervorragendes Instrument dazu.
Check-in!
Einen Check-in gibt es nicht nur am Flughafen oder am Eingang der Bike-Wechselzone, sondern auch im Kontext von unserem Körper & Geist. Vermutlich fühlt sich dieser Check-in nicht „nach viel“ an – seinem Körper und Kopf etwas Gutes zu tun, erfordert aber nicht notwendigerweise Großes!
Du kannst dir den Check-in vorstellen, wie das Festellen eines Basis-Levels – wie auch in einer Laktatdiagnostik. Beantworte für dich einfach folgende Fragen – am besten mit geschlossenen Augen im Sitzen oder Liegen.
• Bin ich in meinem Körper?
• Verspüre ich irgendeinen Drang? (z.B. unbedingt auf mein Handy schauen zu müssen)
• Wie ist das Energielevel in meinem Körper?
• Fühle ich mich irgendwo in meinem Körper unwohl?
• Wie schnell bewegen sich meine Gedanken? Beschäftigen sich meine Gedanken mit der Vergangenheit, der Zukunft oder dem aktuellen Moment?
• Wie fühlt sich mein Atem an? (tief, langsam, schnell)
Und voilá – das war es schon! Führe den Check-in drei bis fünf mal täglich durch und deine Interozeption wird allein durch das bewusste Wahrnehmen geschult und verbessert.
Wenn du das mit Bewegung verbinden möchtest, dann bist du auf der Yogamatte genau richtig am Platz!
Mehr Infos und Tipps dazu gibt es in unserem tritime women-Seminar, das in Kooperation mit dem “Challenge Women Lauf” und den beiden Body & Mind-Expertinnen Katja Bartsch und Doris Kessel am Sonntag, den 20. November 2016 in Hipolstein zum Thema „Körper & Geist im Einklang trainieren“ stattfindet. Körper und Geist bilden eine Einheit, um diese allerdings perfekt nutzen zu können, bedarf es ein wenig Wissen. Wer „nur“ seinen Körper trainiert, trainiert einseitig, daher ist mentales Training sehr wichtig. Alle Infos zum Workshop
Text: Katja Bartsch
Foto: AMALUNA Studios