Frauen sind anders als Männer, und das ist auch gut so. In puncto Trainierbarkeit von Kraftfähigkeiten kommen Männer grundsätzlich besser weg, aber genau aus diesem Grund macht es umso mehr Sinn, dass wir Damen an unseren Kraftdefiziten arbeiten.
Die Sportart Triathlon zeigt es ganz deutlich. In den technischen Disziplinen wie dem Schwimmen steigen einige Athletinnen nicht selten mit den führenden Männern aus dem Wasser. Auch im Laufen – einer Sportart, die vor allem durch physiologische Komponenten und durch Technik bestimmt wird – kommen Frauen selbst in der Profikategorie den männlichen Kollegen sehr nahe. Miranda Carfrae lief beispielsweise bei ihrem Hawaii-Sieg 2013 schneller als der männliche Sieger Frederik van Lierde. Auch Chrissie Wellington hatte bei ihrer Weltbestzeit in Roth 2011 kaum Rückstand auf die männlichen Spitze in der Abschlussdisziplin.
Die Hormone sind Schuld
Am deutlichsten unterscheidet sich die Leistung der Geschlechter im Triathlon beim Radfahren. Warum? Bezüglich der Ausdauerleistungsfähigkeit können Frauen im Schnitt immerhin knapp 70 Prozent der männlichen Leistung erreichen. In Hinblick auf die Kraft sind es lediglich nur gut 50 bis 60 Prozent. Vor allem aufgrund der hormonellen Unterschiede wird eine Annährung der Leistung beim Radfahren bei Männern und Frauen niemals möglich sein, da das Geschlechtshormon Testosteron der bestimmende Faktor ist und maßgeblich am Aufbau und der Entwicklung der muskulären Leistung und des Muskelgewebes beteiligt ist. Somit können Frauen von Haus aus weder die absolute Kraftleistung noch die nötige Muskelmasse dafür erreichen. Dafür gibt es im Kraftbereich ein großes Potenzial, neue Reize im Training zu setzen. Das sollte auch allen Frauen, die beim Thema Krafttraining an Muskelberge denken, die Angst nehmen, ihre Muskeln entsprechend zu trainieren.
Keine Angst vor Muskelbergen
Die Sorge, zu viele Muskeln aufzubauen und Bewegungseinschränkung beziehungsweise eine schlechtere Ausdauerleistung in Kauf nehmen zu müssen, haben viele Sportlerinnen leider immer noch. Bisher habe ich als Athletin und Trainerin allerdings nur positive Effekte durch ein begleitendes Krafttraining machen können. Die Verbesserungen sind messbar. Positiv ist zum Beispiel die Zunahme der inter- und intramuskulären Koordination. Klingt kompliziert, ist aber relativ einfach erklärt: Die intramuskuläre Koordination beschreibt die Zusammenarbeit der Fasern innerhalb eines Muskels. Die muskuläre Arbeit in jeder Phase der Bewegung wird durch gezieltes Krafttraining effektiver. Die intermuskuläre Koordination beschreibt das Zusammenspiel der einzelnen Muskeln. Jede Bewegung wird von einer Vielzahl an Muskeln ausgeführt, und diese Zusammenarbeit wird ebenso optimiert. Ein Grund, warum auch komplexe Bewegungsabfolgen, wie sie beim Schwimmen und Laufen vorkommen, enorm vom Krafttraining profitieren. Gleichzeitig können Muskeln, die in der normalen Bewegung zwar zuarbeiten, aber dennoch stets vernachlässigt werden, gestärkt werden. Ein Beispiel hierfür sind die Abduktoren und Adduktoren, die einen wesentlichen Anteil an der sauberen Laufbewegung haben, aber isoliert trainiert werden müssen, um die notwendige Stärke zu erlangen. Ein weiterer Vorteil von Krafttraining ist, dass die Anzahl der mitarbeitenden Fasern innerhalb eines Muskels, die an einer Bewegung beteiligt sind, steigt. Aus diesem Grund eignen sich auch Kraft/Ausdauer-Kombi-Trainingseinheiten, um einen neuen Trainingsreiz zu setzen.
Trainingsunterschiede bei Männlein und Weiblein
Nach 15 Jahren Arbeit als Trainerin – auch von Profis – behaupte ich, dass sich Frauen und Männer hinsichtlich der Trainingsmethodik, -intensität, -dauer, sprich dem Training allgemein, kaum unterscheiden. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern finden sich beispielsweise Athleten, die besser auf hohe Intensitäten bei einem geringeren Umfang reagieren. Auf beiden Seiten gibt es die „Kilometer- und Stundenfresser“, die häufig Intensitäten scheuen oder mit Überlastung reagieren. Unterschiede, die pauschal für beide Geschlechter gelten, habe ich bisher nicht entdeckt.
Langfristig gedacht
Während der jungen, aktiven Jahren interessiert man sich als Sportlerin relativ wenig dafür, aber zum Leistungsaspekt kommt noch ein weiterer Grund hinzu, warum auch Frauen die intensive Arbeit an den Kraftmaschinen nicht missen sollten: Nach der Menopause schwindet aufgrund der hormonellen Veränderungen, wie zum Beispiel dem Östrogenabbau, die Dichte unserer Knochen. Die Folge sind Haltungsverschlechterungen und eine höhere Anfälligkeit für Knochenbrüche. Ein Beispiel hierfür ist der Oberschenkelhalsbruch, der im Alter zu enormen Problemen führen kann. Nachweislich kann hier weder Ausdauertraining noch Wirbelsäulengymnastik oder reine Athletik Abhilfe schaffen. Lediglich regelmäßiges Krafttraining – zum Beispiel in Kombination mit einer Vibrationsplatte – erzielt die gewünschten Verzögerungseffekte und hilft, den Knochendichteabbau zu verlangsamen.
Maximalkraft stärken
Da wir als Triathleten schon einen sehr hohen Anteil an Kraftausdauertraining im Freien absolvieren, empfehle ich nach einer Aufbauphase ein relativ intensives Krafttraining. Durch Maximalkrafttraining erhöht man die Anzahl der arbeitenden Fasern, die wir bei ruhigem Ausdauertraining zum Teil gar nicht erreichen, und erhöht so das maximale Kraftpotenzial, das ein Baustein der Kraftausdauer ist. Das ist gut für Triathleten, denn Triathlon „bedeutet Kraftausdauer“ – in jeder Hinsicht und vor allem, wenn die Distanzen länger werden. Mit den langen Distanzen steigt auch die Ermüdung. Ein starker Muskel und ein kräftiger Rumpf sichern den Sportler, je länger die Strecken werden gegen Haltungseinbußen und das Nachlassen der Bewegungsqualität ab.
„Was nützen 1.000 Watt in den Beinen, wenn sie nicht von Hüfte und Rumpf stabilisiert werden können?“
Das Training an der Maschine und die Führung bzw. mögliche Fixierung im Gerät birgt dabei einige Vorteile: Isolierte Muskeln können so ganz gezielt trainiert werden. Dabei werden der Rumpf und die Gelenke vor Ausweichbewegungen geschützt, und man kann nach einem anfänglichen Aufbautraining auch sehr hohe Kraftreize umsetzten.
Last, but not least: Im Grunde betreiben wir doch alle auch aus dem einen Grund Triathlon – wir schätzen ein positives und dynamisches Erscheinungsbild. Auch unter diesem Aspekt bekommt das Krafttraining Punkte auf das Pluskonto verbucht: Aktives Gewebe verbrennt mehr Energie als passives. Sprich, unsere Muskulatur ist unser Brennofen für Körperfett. Je mehr aktive Masse vorhanden ist, umso höher ist der Kalorienumsatz. Auch nach dem Training verbrennt der Körper nach intensivem Krafttraining mehr Energie, und der Stoffwechsel wird langfristig angekurbelt.
Fazit: Krafttraining ist keine Männerdomäne mehr. Gerade Frauen profitieren sowohl im Alltag als auch im Sport von der Arbeit an Kraftgeräten. Und Spaß macht das Training noch dazu!
Susanne Buckenlei ist Diplom Sportwissenschaftlerin und zusammen mit Matthias Fritsch die Chefin beim Professional Endurance Team. Als ehemalige Profi-Triathletin konnte sie unter anderem drei Mal den Norseman gewinnen.