Hypnose ist kein Hokuspokus und auch nichts Esoterisches. Daniela Dihsmaier klärt auf, was es wirlich ist und wie man Hypnose zum Beispiel im Sport einsetzen kann.
Was Hypnose mit Hitchcock, der Liebe und Jan Frodeno gemeinsam hat
In Vorbereitung auf diesen Text rufe ich eine sehr gute Freundin von mir an. Sie ist eine liebenswerte Chaotin, hat gerade Liebeskummer und weil sie gesundheitlich momentan nicht trainieren kann, hat sie viel Zeit zum Telefonieren. Über meinen Beruf weiß sie recht wenig. Damit ist sie genau die Richtige für meine Frage: Was stellst du dir eigentlich unter Hypnose vor?
Während ich den Kopfhörer aufhabe, um ihre Antwort gleich mit zu notieren, knallt es am anderen Ende der Leitung. Autsch, das war laut. Es klang als ob gerade jemand erschlagen wird. Tatsächlich ist es aber nur der Kaffeesatz, den sie rausklopft. Während ihre Espressomaschine noch hörbar brummt, grübelt sie laut: „Irgendwie denke ich bei Hypnose ja an Hitchcock und Nosferatu. Naja, und an esoterisches Zeug.“ – Ich muss lachen. Dieses Bild von Hypnose haben vielleicht noch andere? Das würde ich gerne ändern. Also frage ich sie, was sie an Informationen braucht, um mehr über Hypnose zu erfahren.
Was kann Hypnose positives bewirken?
Der hypnotische Zustand, viele sagen auch Trance dazu, ist entspannend und tief. Hypnose wirkt sich körperlich und mental aus. Da Hypnose von der Klientin oder dem Klient selbst zugelassen werden muss, hat jeder die Autonomie, ob Hypnose bei ihm/ihr wirken kann. Ich beobachte bei meinen Klienten eine mit der Trance einhergehende Gelassenheit, eine Stärkung der Persönlichkeit und eine Veränderung der inneren Bilder.
Und was kann Hypnose nicht?
Ein Manager fragte mich nach Hypnose. Er hatte die Hoffnung, dass ich dabei einen Zustand herbeizaubern kann, ohne sein Zutun. „Kann man das nicht einfach weghypnotisieren?“ Doch Hypnose erfordert wie jedes Coaching aktive Mitarbeit durch den Klienten.
Aber darin liegt auch die gute Botschaft: man wird davon nicht abhängig und benimmt sich dabei auch nicht peinlich oder willenlos. Viele glauben, sie seien dem Hypnotiseur ausgeliefert und danach wisse man nichts mehr von dem, was war. (1) Dabei ist das sofortige Vergessen kein zwingendes Trancephänomen, es kann (zeitweilig) eintreten, ist aber kein Muss. Und oft ist eine Beteiligung der bewussten Instanzen sogar erwünscht, zum Beispiel, wenn die Suche nach Lösungen angestoßen werden soll. (2)
Niemals sollte eine Trance beim Autofahren oder anderen Tätigkeiten, bei der die bewusste Konzentration gebraucht wird, angehört werden. (3)
Wie kann man es einsetzen?
Oft empfehle ich Trance-Reisen oder (Selbst-)Hypnose zum Entspannen. Entspannendes Yoga, Meditation oder autogenes Training arbeiten auch mit dieser Form von Trance, daher sind damit viele schon vertraut. Wer mit Entspannungstechniken bislang nichts anfangen konnte, dem kann die auf ihn zugeschnittene Trance-Reise helfen, endlich wieder loszulassen. Eine Trance-Reise ist ein bisschen wie ein kurzes Hörbuch, nur dass es bei der Trance ums Loslassen geht. Manche Trancen leiten sogar das Einschlafen ein. Das nutze ich für mich selbst manchmal auch ganz gerne, zum Beispiel auf Geschäftsreisen. Viele haben Einschlafprobleme. Da das ein ganz großes Thema ist, habe ich hierzu eine mp3-Datei extra für die tritime aufgenommen. Ich hoffe, dass möglichst viele damit, besser einschlafen können. Über Feedback dazu freue ich mich natürlich.
Audiodatei mit Einschlafhypnose:
Besser schlafen mit Hypnose (von Daniela Dihsmaier, www.freiwasser.com)
Hinweise zur Anwendung der Hypnose: Bitte höre diese Suggestion nicht, wenn du dich konzentrieren musst, also auf keinen Fall beim Arbeiten oder beim Autofahren. Auch nicht beim Sport. Diesen Text habe ich für dich als tritime-Leser(in) aufgenommen – er kann viele Wirkungen haben. Je mehr du es zulässt, desto mehr wird sich dieser Text für dich bewähren. Und wenn du bereit bist, jetzt oder später, mit dieser Hypnose loszulegen, dann werde ich dir eine Entspannungstechnik vorstellen, die du zur Entspannung jederzeit und überall anwenden kannst. Das hilft, um einfach ein wenig wieder zur eigenen Mitte zu finden.
Möchtest du diese Entspannungsübung im Liegen oder im Sitzen machen? Mach es dir dabei einfach so bequem wie möglich. Du kannst später auch jederzeit deine Haltung korrigieren. Du machst einfach alles ganz nach deinen Bedürfnissen.
Ich stelle bei der Arbeit mit leistungsorientierten Klienten fest, dass sie häufig viel zu wenig Entspannungstechniken einsetzen. Das widerspricht einer Studie von Kudlackova und Kollegen (4). Die Wissenschaftler kommen zu der Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen Erfolg und der Anwendung von Entspannungstechniken gibt. Gründe hierfür sind: Eine unverkrampfte Muskulatur verbessert die Blutzirkulation und dadurch wird auch weniger Energie verbraucht. Das hat zur Folge, dass wir weniger Laktat produzieren. Wer unter zu hohem Stress steht, bei dem ist ein flexibles Reagieren auf neue Situationen im Rennen auch beeinträchtigt. (5) Im Übrigen hängen allgemeiner und situationsspezifischer Stress zusammen, dazu habe ich schon einiges veröffentlicht. (6)
Bei Prüfungsangst habe übrigens ich Hypnose in meiner Praxis auch als sehr erfolgreich erlebt.
Hypnose zur Rennvorbereitung
Auch zum Vorbereitung von Wettkämpfen setze ich Hypnose-Techniken gerne ein. Gemeinsam definiere ich mit meinen Klienten im Vorfeld, welche Bilder, Emotionen und Energiequellen im Wettkampf gebraucht werden. Daraus schreibe ich dann eine Trance-Reise, solche Suggestionen können die eigene Zielfokussierung und Ausdauer stark beeinflussen. Die Selbstgesprächsregulation, eine Technik aus dem mentalen Coaching zur Emotionenkontrolle, findet hier eine intensive Unterstützung. Neulich habe ich auf Facebook von einer Athletin gelesen, die direkt nach dem Hamburg Marathon zur Hypnose ging, um schneller zu regenerieren.
Hypnose zur Steigerung des Selbstvertrauens
Hypnose eignet sich auch sehr gut zum Vergrößern der Wahrnehmung des eigenen Handlungsspielraums und damit zur Steigerung des Selbstvertrauens. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Jan Frodeno, der im Interview mit dem Stern erzählte, er habe sich jahrelang „innerlich wie eine Niete gefühlt. (…) Ich ließ mich von irgendwelchen blöden Stories leiten, die in meinem Kopf herumgeisterten. In den entscheidenden Momenten kurz vor dem Ziel knickte ich ein.“ (7). Mit Hilfe eines Trance-Tapes, so beschreibt er seine innere Wandlung, hat er es geschafft, sich kurz vor den Olympischen Spielen Peking zum ersten Mal als Sieger zu visualisieren.
Hypnose zur Gewichtsreduktion
Eine Hypnose zur Gewichtsreduktion arbeitet mit den Bildern, die die Klientin im Kopf haben will und suggeriert Abneigung vor dem, was zu viel gegessen wird. Dafür gibt es über einen definierten Zeitraum (je nach Wunschgewicht) etwa alle drei Monate eine Hypnose, die im Idealfall von der Klientin mit Selbsthypnose unterstützt wird (z.B. mit einer von mir gesprochenen Audio-Datei). Raucherentwöhnung funktioniert ähnlich, nur viel krasser, da wird tatsächlich Ekel vor dem Rauchen aufgebaut. Das wirkt bei Motivierten sofort, da braucht es in der Regel keine Wiederholung.
Wie funktioniert Hypnose?
Hypnose verbindet den Wunsch des Klienten mit einer Vorstellung, die er körperlich fühlen kann. Das gelingt nur, wenn die in der Trance genutzten Worte in ausreichender Intensität das dazu gehörige Empfinden im Körper hervorrufen können. Dazu führt der Hypnotiseur ein Vorgespräch mit dem Klient und findet heraus, welche schönen, intensiven Erinnerungen des Klienten genutzt werden können. Die Geschichten sind sehr bildhaft aufgebaut. Eine für den Klient geschriebene Trance arbeitet mit allen Sinnen: auf einer Trance-Reise sehen wir viele wunderschöne Bilder:
„Du siehst einen glitzernden See, der ruhig vor dir liegt. In den du unbedingt springen willst. Und du hörst wie dich andere dazu ermuntern, anfeuern, immer lauter rufen sie, bis du nicht anders kannst, als in diesen wunderschönen See zu springen. Du spürst deine Arme kraftvoll durch das Wasser ziehen und jede Boje, die du erreichest, gibt dir neue Kraft zum Weiterschwimmen. Ja, du spürst sogar wie dich das Ziel-Ufer mehr und mehr anzieht, deine Arme werden schneller und deine Atmung folgt einem Rhythmus, der gerade richtig ist, um so schnell wie möglich ans Ufer zu kommen… usw.“
Kann man mit Hypnose Schabernack treiben?
Hypnose kann, wenn es der Klient zulässt, die Suggestibilität erhöhen. Eigene ethische Werte können davon nicht beeinflusst werden. Keine Hypnose ist also fähig, jemanden zum Verbrecher zu machen. Dennoch bin ich ein Skeptiker, wenn Hypnotiseure mit ihren Klienten in der Vergangenheit graben, um „vergessene“ Trauma zu finden. Das finde ich höchst gefährlich, denn Erinnerungen können zum Beispiel durch Suggestionen von unserem Gehirn „phantasiert“ werden. (8)
Zu wem gehe ich? Was macht eine gute Hypnotherapie aus?
Zunächst kommt es formal darauf, dass der Hypnotiseur eine ausreichende Ausbildung absolviert hat. Ein Wochenendseminar reicht da nicht aus wie ich meine. Als zweites Kriterium sind es die persönlichen Eigenschaften, die den Unterschied machen. Es braucht Achtsamkeit, Einfühlungsvermögen, Humor, Respekt im Umgang mit Gefühlen, Intuition, Beobachtungsgabe, viel eigene Phantasie und am besten hat der Hypnotiseur eine große Phantasie mit einer Vorliebe für Bilder und Geschichten. Denn dann fließt die Hypnose wie eine kleine Geschichte leichtfüßig ein. Im Idealfall ist sie ein leichtes, humorvolles Spiel mit Suggestionen, die den Klient unterstützen können, sein eigenes Ziel in Angriff zu nehmen.
Und klappt Hypnose bei jedem?
Hypnose steht und fällt mit dem Wollen oder Nichtwollen. Wer hochmotiviert ist, wie zum Beispiel eine schwangere Frau, die mit dem Rauchen aufhören möchte, hat selbst großes Interesse daran, dass Hypnose bei ihr funktioniert. Wer sein zweites Staatsexamen kein weiteres Mal wiederholen kann, der hat echten Druck von außen, dass es bei diesem letztmöglichen Versuch klappt. Hier hat die Entspannungstrance in der Regel auch Wirkung. Genauso ist es bei sehr leistungsfähigen und talentierten Sportlern, die alles versucht haben, um im Wettkampf den Druck loszuwerden, um ihre bestmögliche Leistung abzurufen. Diese Klientel ist auch bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen.
„Ich verstehe“, sagt meine Freundin, „also ist das ein bisschen wie mit der Liebe, man muss sich darauf einlassen, sonst funktioniert es nicht.“
Autorin: Daniela Dihsmaier ist systemische Trainerin für Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation, Sportmental-Coach, Ernährungs- und Gesundheitstrainerin und Diplom-Wirtschaftswissenschaftlerin. Zudem ist sie Amateur-Triathletin. 2014 gründete sie ihr eigenes Unternehmen FREIWASSER. Daniela ist sowohl für Unternehmen als auch für Einzelklienten und Eliteathleten im Einsatz. Als AsicsFrontrunner ist sie zudem Botschafterin des Mottos „anima sana in corpore sano“.
Quellen:
(1) Rekkas, A. K. (2011) Klinische Hypnose und Hypnotherapie. Praxisbezogenes Lehrbuch für die Ausbildung. Carl-Auer Verlag
(2) Trenkle, B. (2009) Die Löwen-Geschichte. Hypnotisch-metaphorische Kommunikation und Selbsthypnosetraining. Carl-Auer Verlag
(3) Wilk, D. (2005) Auf den Schultern des Windes schaukeln. Trance-Geschichten. Carl-Auer Verlag
(4) Kudlackova, K., Eccles, D. & Dieffenbach, K. (2013). Use of relaxation techniques in differentially skilled athletes. Psychology of Sport & Exercise, 14, 486-475.
(5) Ufer, M. (2016). Mentaltraining für Läufer. Weil Laufen auch Kopfsache ist. Meyer & Meyer Verlag, S. 199
(6) Dihsmaier, D. (2017) Kopf über Beine. So wichtig ist der richtige Fokus. Leistungslust, 02, 82-85
(7) http://www.stern.de/sport/sportwelt/jan-frodeno–vom-weichei-zum-besten-triathleten-der-welt-7274590.html , 10.01.2017
(8) Julia Shaw. (2016) Das trügerische Gedächtnis. Wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht. Carl Hanser Verlag
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