Botschafterin Simone Schwarz berichtet, wie sie als Triathletin zum Trailrunning kam und eine neue Leidenschaft entdeckte.
Es ist manchmal lustig, wie man dazu kommt, etwas Neues auszuprobieren … daher ist es immer gut, wenn man offen ist. Das gilt im Sport und kann auch sonst nicht schaden.
Auf matschigen, felsigen, wurzeligen und unwegsamen Pfaden war ich schon immer gerne unterwegs und so komisch das auch klingen mag, ein Gedicht, das wir im Englischunterricht vor vielen Jahren lasen, hat in mir schon damals Sehnsucht nach einem abenteuerlichen, kleinen Pfad ausgelöst – so einem, bei dem man sich überraschen lässt, was nach der nächsten Kurve kommt. Hier nur die letzten drei Zeilen des Gedichts. Wobei klar wird, dass der Autor vermutlich nicht mit Laufschuhen durch den Wald rannte, sondern eine deutlich universellere Nachricht loswerden wollte …
Two roads diverged in a wood, and I –
I took the one less traveled by,
and that has made all the difference.
(Robert Frost; The Road Not Taken)
Es gibt Gedichte, Filme, Bücher oder auch Zitate, die sich aus irgendeinem Grund einbrennen. Diese Zeilen waren genau solche Worte, die in meinem Gedächtnis hängenblieben.
Trailrunning ist mittlerweile recht bekannt unter Ausdauersportlern. Ich muss gestehen, dass ich nicht wirklich auf dem Laufenden bin, was die deutsche „Szene“ angeht, da ich noch nie ein großes Rennen auf deutschsprachigen Boden absolviert habe, wohl aber viele schöne Trainingsläufe über Stock und Stein. Eben überall dort, wo es schön ist.
Warum Trailrunning?
Alle meine Trailwettkämpfe habe ich im französischsprachigen Raum absolviert. Warum – ganz einfach, weil ich gerne Grenzen überschreite und ausreize – im realen und im übertragenen Sinne. Meine Wahlheimat Freiburg bietet eine Vielzahl wunderschöner Trails. Fährt man 60 bis 90 Minuten mit dem Auto, ist man bereits in den Vogesen und kann auch hier aus einer schier unendlichen Vielfalt an Wander- und Laufpfaden wählen. In allen Längen. Zwischen 7 und 200 Kilometer ist so ziemlich alles dabei. Ebenso alle Schwierigkeitsgrade – es gibt wellige Strecken durch Weinreben und nahezu alpine Pfade.
Auf der Suche nach einer
neuen sportlichen Herausforderung
Als begeisterte Triathletin, die im Nürnberger Umland groß geworden ist, hatte ich, nachdem ich auf der Langdistanz ein paar wunderschöne Jahre verbracht habe, irgendwann die Motivation verloren. Es musste ein neuer sportlicher Reiz her. Ich erinnere mich wie heute an ein Gespräch mit Virginie, einer französischen Freundin, die ich von meinem Austauchjahr in der Provence kenne. Ich verbrachte wie jedes Jahr die Osterferien in meiner alten Studienstadt Aix-en-Provence und stattete Virginie einen Besuch ab. Sie entführte mich auf ein unvergesslich schönes Läufchen durch das Massif de l’Estérel.
Mach mal was anderes
Wir redeten über allerhand. Auch darüber, dass es manchmal nicht so leicht ist, als aktiver und irgendwie doch ehrgeiziger Mensch, in allen Lebensbereichen die Balance zu finden. Und dann sagte Virginie diesen Satz, der sich irgendwie bei mir einbrannte – parallel zum unglaublichen Ausblick in diesem Moment: „il faut réduire ses attentes, arrêter ou faire autre chose.“ Übersetzt heißt das so viel wie, man muss seine Ansprüche zurückschrauben, ganz aufhören, oder einfach mal etwas Anderes machen. Tja, aufhören mit dem Sport, kam für mich nicht in Frage. Für etwas Neues war ich offen. Virginie hatte diese neue sportliche Herausforderung auf den Trails gefunden und natürlich auch bei den dazugehörigen Wettkämpfen. Das imponierte mir.
Le Grand Trail des Templiers
Als geborene Motivationskünstlerin schaffte Virginie es, mir im selben Moment mit leuchtenden Augen von einem verrückten Vorhaben im Herbst zu erzählen, dem „Grand Trail des Templiers“. Das ist ein Festival, bei dem man mehrere Tage mit Trailwettkämpfen aller Art rund um das Städtchen Millau im wunderschönen Südwesten Frankreichs verbringt. Mein Plan war sogleich, mit ein paar Freunden einfach mitzurennen, Spaß zu haben und die Stimmung zu genießen. Die Atmosphäre beschrieb sie mir als einzigartig, da dieses Event eines der traditionsreichsten und ältesten Rennen in Frankreich ist. Ehe ich mich versah, war ich angemeldet. Die Distanz hatte ich erst einmal ignoriert, denn 74 Kilometer und 4.000 Höhenmeter waren verdammt lang. Ich sah es als Abenteuer und sagte mir, länger als bei meiner längsten Triathlon-Langdistanz, werde ich nicht unterwegs sein und notfalls gehe ich ein wenig spazieren.
Mein erstes Trailrunning-Abenteuer
Es war definitiv ein Abenteuer, so viel kann ich sagen. Mit genau den Dingen, die es braucht, um süchtig nach dieser Art von Erlebnissen zu werden: einem Start im Dunkeln, nach 1,5 Stunden durch den Sonnenaufgang laufen, rennen durch atemberaubend schöne Landschaften, inklusive Durchqueren von Felstoren, Höhlen, verlassenen Häuserruinen, Talschluchten und dem „Esprit“, etwas gemeinsam mit all den anderen Läufern zu erleben, sich auch mal auszuhelfen oder aufzuhelfen, wenn es einen beim rasanten Downhill der Länge nach hingelegt hatte. Ich wusste schon vor dem Ziel, dass ich genau das gefunden hatte, was mir meine sportliche Motivation wieder zu 1oo Prozent zurückbrachte.
Trailrunning als Ergänzung
Natürlich habe ich seitdem weiterhin Triathlon auf allen Distanzen gemacht – und über die Triathlon-Landesliga in Baden-Württemberg auch wieder riesengroßen Spaß an den kurzen Rennen gefunden, aber das Training – darauf werde ich in einem weiteren Beitrag eingehen – und die Wettkämpfe abseits der Triathlon-Pfade, sind einfach eine geniale Ergänzung, die ich nicht mehr missen möchte.
Klein anfangen
Es müssen nicht gleich 74 Kilometer oder gar 100 Meilen sein. Trailrunning ist nicht gleich Ultrarunning. Das schöne ist, dass es eben nicht um High-Tech Equipment und um Bestzeiten geht. Man braucht sich keine Sorgen über das Material machen. Alles was es braucht, ist ein bisschen mehr Profil auf den Laufsohlen. Das war’s!
Ich finde es faszinierend, dass man selbst bei einem 9-stündigen Rennen „nur“ seinen Rucksack packen muss und dann alles dabei hat. Man muss kein Rad in die Wechselzone bringen und man muss auch keine technischen Probleme fürchten. Trailrunning ist für mich einfach … Schuhe und passende Klamotten anziehen und los geht es.
Einfaches Equipment und Abenteuergeist
Das Unvergleichliche an den Trail-Wettkämpfen ist, dass es so unterschiedliche Menschen an die Startlinie zieht. Mir persönlich ist aufgefallen, dass es für alle um mehr geht, als um schnelles Laufen. Die Zeiten sind ohnehin durch Streckenänderungen und unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten und Höhenprofile nicht vergleichbar. Es ist das Spielerische, das mich begeistert. Spätestens, wenn man von Stein zu Matschpfütze hüpfend einen flotten Downhill herunterflitzt oder sich über faszinierende Ausblicke erfreut.
Trail-Luft schnuppern
Ganz besonders für uns Mädels, die sich manchmal zu schnell von der Materialschlacht in der Wechselzone, dem Massenstart im Wasser und den umfangreichen Vorbereitungen in drei Disziplinen einschüchtern lassen, empfehle ich, einen kleinen oder auch größeren Laufwettkampf auf Trails einzuplanen und die Trail-Atmosphäre einfach zu erleben. Ihr werdet merken, wir bringen als Triathletinnen schon eine Reihe günstiger Voraussetzungen für das Trailrunning mit. Das Schöne ist, es ist so wunderbar simpel und bringt garantiert Spaß.
In diesem Sinne, „allez les filles (et les gars), découvrez les trails!“
Text: Simone Schwarz
Fotos: privat