Kleiner Rennbericht zum Ironman Kärnten 2017 von unserer Lulu. Auch wenn es nicht optimal lief, Lulu hat das beste aus ihrem Rennen gemacht und dabei viel gelernt.
Ich wache nachts auf. Das Rennen ist vorbei. Ich recke mich, strecke meine Beine aus und stelle fest: Tut gar nichts weh nach dem langen Wettkampf. Langsam werde ich wach. Es ist erst kurz vor 24 Uhr … Die Erkenntnis erschlägt mich schier: Ich habe bloß geträumt, dass der Ironman schon vorbei ist. In vier Stunden klingelt der Wecker. AAAAHH, schnell wieder die Augen zu machen und weiter schlafen!
Der längste Tag des Jahres
Endlich ist er da. Nach vielen Monaten, in denen ich mich auf den Tag X vorbereitet habe, geht’s jetzt endlich los. Ich stehe am See an der Startlinie und sammle mich. Es sind noch ein paar Minuten bis zum Startschuss. Die Profis sind schon unterwegs. Richtig nervös bin ich nicht, eher gespannt. Ich genieße die Stimmung und freue mich sehr auf das, was kommen mag.
Das Einschwimmen habe ich zeitlich verpasst. Kein optimaler Beginn! Kann einem Anfänger wie mir schon mal passieren ;). Beim Einchecken vergaß ich meinen Special-Needs-Beutel abzugeben, den ich auf der Laufstrecke benötige. In dem Beutel befindet sich meine Wettkampfernährung, die jeder Athlet individuell an der Strecke bereit legen lassen kann. In diesem Moment brach zum ersten Mal etwas Hektik aus. Meine Energiegels kamen leider nicht mehr zum Einsatz an diesem Tag.
Beim Schwimmen ist an diesem Tag der Neoprenanzug erlaubt. Das Wasser hat offiziell eine Temperatur von 23,4 Grad. In der Wechselzone brach Jubel bei der Bekanntgabe aus. Ich wäre gerne ohne Neoprenanzug geschwommen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.
3,8 Kilometer im Wörthersee und im Landkanal
Der See ist karibisch türkis. Über dem Wasser steigen Heißluftballons auf. Die langen Stege rechts und links vom Ufer sind voll mit Zuschauern. Ein toller Anblick, dann das Startsignal. Mit 400 Startern springe ich in das glasklare Wasser. Seit letztem Jahr gibt es auch bei diesem Ironman einen Rolling Start. Das bedeutet, alle 5 Sekunden dürfen 8 Athleten starten. So soll das Schwimmen entzerrt und das Windschattenproblem auf der Radstrecke eingedämmt werden. Davor startet jedoch eine Startgruppe gemeinsam im Pulk. Es war möglich, sich für die „Fast Wave“ zu bewerben,wenn man die 3,8 Kilometer in unter einer Stunde schwimmt. In dieser Startgruppe schwimme ich nun und bereue es zutiefst :).
Schwimmende Massenschlägerei trifft es ganz gut. Ich versuche nach einer Weile, der Meute nach rechts außen zu entkommen und schwimme lieber eine weiteren Weg, um meine Ruhe zu haben. Am Ende führt der Schwimmkurs durch den Lendkanal. Das ist sau cool, weil am Ufer unglaublich viele Menschen stehen, die uns anfeuern und dabei nur wenige Meter vom Wasser entfernt sind. Nach knapp 59 Minuten komme ich aus dem Wasser und es geht aufs Rad. Die Zeit ist nicht überragend, aber immerhin noch unter einer Stunde.
Die Langdistanz in Etappen einteilen
Ich teile mir den ganzen Wettkampf nicht nur in Swim-Bike-Run-Etappen, sondern splitte die einzelnen Disziplinen gedanklich nochmals auf. Beim Schwimmen waren das bei mir vier kleine Teilstücke: 1.230 Meter bis zur ersten Boje raus auf den See, 470 Meter zu zweiten Boje parallel zum Ufer, 1.100 Meter zurück zum Ufer und 1.000 Meter durch den Lendkanal. Das hilft mir sehr, fokussiert zu bleiben und mich nicht zu verzetteln oder vor dem langen Tag Schiss zu bekommen ;).
180 Kilometer durch das wunderschöne Kärnten
Der Radkurs verläuft auf 90 Kilometern, die jeder Athlet zwei Mal absolvieren muss. Zunächst entlang des Wörthersees und dann auf und ab durch die herrliche Gegend rund um Klagenfurt, oft mit grandiosem Bergpanorama. Insgesamt kommen 1.600 Höhenmeter zusammen. Ich habe mir die Strecke vorher doch noch mal angesehen, da es mir keine Ruhe gelassen hat. Ich wollte vor allem die Abfahrten und Gefahrenstellen vorher gesehen haben.
Nach 30 Kilometer auf dem Rad nehme ich das erste Isogetränk an der Verpfelgungsstation auf. Es gehtz nicht lange bis ich davon Magenschmerzen bekomme „Geht sicher wieder weg“, denke ich und lasse mich nicht beirren.
Auf den 180 Kilometern trifte ich gedanklich immer wieder ab, ist schon verdammt lang die Strecke ;). Ich bin es zwar vom Training gewohnt – viele lange Einheiten habe ich alleine trainiert. Heute ist es dennoch schwerer, konzentriert zu bleiben. Strampeln, essen, trinken, Wattzahlen kontrollieren, neues Trinken aufnehmen … never stop spinning!
Unterhaltung ist an den Hotspots auf dem Kurs geboten. Dort geht die Post ab! Die Zuschauer jagen uns mit ihrem Anfeuergrölen die Berge hoch und machen eine wahnsinnige Stimmung. Trotz des Rolling Start wird das Starterfeld nicht richtig entzerrt. Bei 3.000 Athleten auf 90 Kilometern, muss man damit wohl leben. Es gibt lediglich zwei knackige Anstiege, sonst ist die Strecke sehr schnell, wofür der Radkurs bekannt ist.
Nach der Radroutine, mit einem kleinen mentalen Tief auf der ersten Runde und OHNE Panne – YES, das war nach dem Ironman Mallorca vor drei Jahren mein großer Wunsch für dieses Rennen – stieg ich mit einer Fahrzeit von 5:19 Stunden von meinem Cervelo. Das war okay, aber die Magenschmerzen wurden nicht besser.
„Wenn es hart wird, geht der Ironman erst richtig los“
Beim Laufen nicht schneller angehen als 4.40 bis 4.45 h/km war der Plan auf den ersten zehn Kilometern. Katja, meine Supporterin an der Strecke, rief mir das mahnend als Erinnerung zu als ich nach der Wechselzone an ihr vorbei komme. Da wusste sie noch nicht, dass ich ganz andere Sorgen hatte …
Meine Magenprobleme waren ab dem ersten Laufmeter so massiv, dass ich sehr bald ernsthaft ans Aufgeben dachte. Auf den ersten 10 Kilometer musste ich mehrmals anhalten und konnte nichts mehr zu mir nehmen, was Energie liefern konnte. Nicht mal Wasser ging. Ich schleppte mich erst Mal zurück zu dem Punkt an dem Katja stand und hielt an, um nach ihrem Rat zu frage. Am liebsten hätte ich gehört „hör auf, denk an deine Gesundheit“. Aber Freunde und Supporter sind nicht da, um einem das zu sagen, was man hören möchte ;).
„Versuche es erst mal mit Gehen und Cola …, das kann passieren, anderen geht es auch dreckig, du bist stark und schaffst das!“
Gut, überredet…ich gehe also. ICH GEHE bei einem Wettkampf. Ich habe zwar heftige Bauchkrämpfe, aber für ein verrücktes Gedankenkarusel reicht die Energie während meines Spaziergangs noch aus: „Aufgeben? Aufhören? Wollte ich nie, aber ich kann nicht mehr. Mein Bauch tut so weh. Finger in den Hals stecken, würde das helfen? Kann ich auch nicht … Ich muss die schlechten Gedanken loswerden. Her mit der Selbstmotivation! Alle die daheim vor dem Live-Ticker sitzen sehen, dass was nicht stimmt mit meinen Splitzeiten. All denen und vor allem Katja zu liebe, muss ich es zumindest versuchen, ins Ziel zu kommen. Scheiß auf die Zeit. AAAAAhhh die Zeit, die ich mir vorgenommen habe, ist dahin … die Worte meines Coach fallen mir ein: Wenn es hart wird, geht es erst richtig los… Also, Aufgeben ist NOCH kein Option. Weiter geht’s!“
Wie Thomas Hellriegel auf Hawaii
Die vorgenommene Zeit habe ich mir aus dem Kopf geschlagen, die Seifenblase ist zerplatz. Brav Cola trinken, hoffen, dass es besser wird und in Bewegung bleiben. Dabei fiel mir ein, dass Thomas Hellriegel damals, als er auf Hawaii gewonnen hatte, angeblich auch nur Cola und eine Banane zu sich genommen haben soll. Vielleicht gewinne ich so heute auch;) Ich muss lachen und nehme mir fest vor, Thomas mal danach zu fragen, vielleicht wird das mein zukünftiges Ernährungskonzept. Eher nicht: nach einigen Bechern dieser braunen Zuckerbrühe denke ich nur noch daran, wie schön es wird nach dem Wettkampf die Zähne zu putzen, so pelzig fühlen die sich an!
Nach einigen diversen Stops, die ich nicht näher ausführen möchte und Gehpausen, weiteren Gesprächen mit Katja und lustigen Nachrichten, die ihr Freunde und Coach für mich aufs Handy schickten und sie mir ausrichtete, konnte ich irgendwann mit erträglichem Bauchweh langsam weiter laufen. Gegen Ende des Marathons ging sogar wieder etwas schneller. Katja war offensichtlich auch erleichtert darüber. Drama Baby 😉
Durch die vielen Laufkilometer im Training war mit klar, dass ich es locker schaffen kann, den Marathon zu überstehen, wenn die Magenschmerzen erträglich sind und etwas Zucker im Körper ankommt. Die Laufstrecke geht über zwei Runden am See entlang, durch den Park am Zielbereich, am Kanal entlang ins Stadtzentrum und zurück. Könnte sehr schön sein, wenn man die Muse hätte, es mehr zu genießen.
Ende in Sicht
Die letzten Meter läuft man am See entlang. Dort werde ich von massenhaft Zuschauern empfangen. Die Tribüne am Zielkanal ist komplett besetzt mit Menschen. Gänsehautalarm! Die ganze Tortur ist vorbei und erst mal vergessen. „You are an Ironman“! Ich bin glücklich, dass ich stark genug war, es trotz der Probleme geschafft zu haben.Ich komme mit knapp 10:27 Stunden ins Ziel. Eine Zeit, die mich nach dem ganzen Trainingsaufwand bei Weitem nicht zufrieden stellt. Ich verbuche es als Erfahrung verbuche, die sicherlich irgendwann für etwas gut sein wird.
In der Altersklasse bedeutet meine Zeit Platz zwei und somit keinen Hawaii-Slot. That´s life!
Den Slot hätte ich realistisch auch verpasst, wenn ich einen optimalen Tag gehabt hätte, denn die AK-Siegerin wurde mit einer Gesamtzeit von knapp 9:27 Stunden Vierte.
Auch eine „Aeromütze“ auf dem Kopf hätte es nicht raus gerissen;), aber ich bin immer offen für Verbesserungsvorschläge. Anmerkung an dieser Stelle: Ich hatte zur Unterstützung für Katja vor Ort, eine Whats App-Gruppe eingerichtet, in der Freunde, Familie, Triathlonspinner, Coach etc. mal eine Zwischenzeit durch schicken konnten. Da sollte Katja beim Supporten helfen. Am Tag danach habe ich mir den ganzen Chat mit tausenden Kommentaren durchgelesen und mich kaputt gelacht über die Konversation! Ihr seid sooooo genial alle zusammen! Unter anderem wurde sich das Maul über meinen Radhelm zerrissen, weil es eben kein Triathlonhelm ist, sondern ein stink normaler Helm.
Alles hat etwas Gutes…
Der Ironman Austria ist ein wunderbarer Wettkampf. Der Austragungsort Klagenfurt, die ganze Gegend, der See sind herrlich und die Stimmung an der Strecke, die Zuschauer und Anwohner sind super drauf. Der Rennkurs ist toll. Eine Reise nach Kärnten kann ich nur empfehlen!
Positiv am schlechten Verlauf des Marathons ist, dass ich durch die vielen Pausen und die geringe Pace kaum Muskelkater habe. Nach meinen Trainingsläufen war das heftiger. So kann ich das Training nach kurzer Erholung recht schnell wieder starten, denn:
Nach dem (verpatzten) Rennen ist vor dem Rennen!
In diesem Sinne: Do it. Love it. Join us. und: alles, was uns nicht in die Knie zwingt, macht uns stärker! Es ist doch nur Sport!
Danke an alle meine Unterstützer: Cervelo, Ruhepuls40, Shimano, Lazer, Powertap und Sailfish!
Liebe Juli und besonders liebe Katja – danke für die Unterstützung an der Strecke, den „Premium Support 2.0“, den ich von euch bekommen habe!
Danke Christian: die Schritte, die du mit mir gegangen bist und mir gut zugeredet hast, als es mir so beschissen ging, haben gut getan!
Danke Erika für dein Homestay, deine Fürsorge und das beste Honigbrot, was man sich wünschen kann, auch um 4 Uhr morgens!
Text: Lulu
Fotos: Katja Kraft