Der Inferno Triathlon in der Schweiz ist ein spezielles und unglaublich hartes Triathlon-Rennen, dafür allerdings auch einzigartig – Simone Schwarz nimmt euch mit auf ihren Wettkampf durchs Berner Oberland.
Throwback: Inferno 2016
Ich stehe am Thunersee. Es wird gerade hell, am Horizont sieht man irgendwo das Jungfraumassiv und das Schilthorn. Die Startlinie wird von einem imaginären Tor aus gelben Luftballons markiert, gelb sind auch die Badekappen der Single Athleten. Das Programm für alle sieht folgendermaßen aus: 3,1 Kilomete nach Oberhofen schwimmen, anschließend knapp 100 Kilometer und über 2.000 Höhenmeter auf dem Rennrad bewältigen, danach wird aufs Mountainbike umgesattelt, um 30 Kilometer ins Lauterbrunnental zu fahren, den direkten Weg über die kleine Scheidegg versteht sich. Im Anschluss geht es zu Fuß von Stechelberg aus zunächst talabwärts nach Lauterbrunnen und dann via Mürren auf das Schilthorn – 25 Kilometer mit über 2.100 Höhenmetern, also kein Spaziergang.
Dieses Jahr – nach drei Jahren Inferno in Folge und Platz 5 im Jahr 2015 habe ich keine Badekappe an, mein Mountainbike steht mit der Startnummer 12 im Auto, genauso wie mein Rennrad und meine gepackten Säcke. Mein Freund Joël wurde in der Nacht auf Freitag nach einem kleinen Unfall operiert, somit war nach einer schlaflosen Nacht sowohl das Einchecken, als auch das Rennen in diesem Jahr kein Thema mehr. Wir stehen am Ufer, Joël mit frisch operiertem Fuß und ich. Eine kleine Träne der Rührung verdrücke ich beim Startschuss und denke an Maya, Lena und Rabea, die sich alle drei in die Fluten stürzen. Für mich solte es 2016 einfach nicht sein. Ich muß an diesem Tag einen Haken unter das Rennen machen. Wir machen trotzdem das Beste aus dem Tag, denn für mich ist nicht nur der Inferno Triathlon, sondern auch das Berner Oberland eine Herzensangelegenheit.
Inferno 2017
Ich stehe wieder am Start. Joëls Fuß ist längst wieder verheilt. Rabea drückt mich vor dem Abschied, heute schaut sie zu und wird mich noch viele Male auf der Strecke sehen und aufmuntern. Meine Eltern sind das erste Mal zu meinem Lieblingsrennen gekommen und mit mir sind Elena und ihre Mutter am Start, die sich als „Couple“ die Strecke bis Mürren teilen.
Alles ist perfekt, sogar der Wettergott hat ein Einsehen, auch wenn mich die Temperaturen an diesem Tag noch sehr fordern werden. Das einzige Problem ist – mein Kopf will nicht so richtig mitspielen. Nach dem perfekten Rennen in 2015 fällt es mir schwer, ohne gewisse Erwartungen ins Rennen zu gehen, zumal ich das Gefühl habe, es meinen lieben Supportern schuldig zu sein, meine allerbeste Schokiseite zu zeigen. Ich bin nicht voll präsent. Gedanken schießen mir durch den Kopf: Waren es doch zu viele längere Trailläufe, hatten die Wettkämpfe in einer stressigen Zeit zu Ende des Schuljahres mir doch zu viel abverlangt, auch wenn es sich damals befreiend anfühlte? Ist mein Sommer mit Alpe d’Huez, Inferno und dem Transalpine Run doch überladen?
Auf der Suche nach dem positiven Flow
Der Startschuss fällt, meine Brille ist undicht – zu fest gezurrt, dummer Fehler. Mehrmals richte ich mich auf, um sie zu richten und sage mir irgendwann genervt: Andrea Hewitt ist in Rio de Janeiro ohne Brille geschwommen, im Salzwasser, also Schluss mit Zupfen. Ab da läuft das Schwimmen und ich freue mich nach knapp 54 Minuten aus dem Wasser zu steigen. Tja, nur leider brauche ich ungefähr acht Minuten, um mich völlig ausgekühlt abzutrocknen und anzuziehen. Ich weiß, hier darf ich nicht sparen, sonst geht es mir auf dem Rad gar nicht gut.
So fahre ich den ersten Radpart mit Elena, die durch den wegfallenden Wechsel Zeit gut gemacht hat. Eigentlich super, aber irgendwie läuft es mental und auch sonst nicht. Ich rüttele mich mehrmals innerlich und sage mir: „Mensch Simone, das ist genau das, was du liebst, der steile Anstieg Richtung Justistal und Beatenberg, die tolle Stimmung, geprägt von Menschen, die sich mit Kuhglocken in ihren Vorgarten stellen und uns ausgefrorenen Athleten einheizen. Genieß es!“ Zugleich habe ich sehr oft den Gedanken, dies sei meine letzte Langdistanz, zu groß der Aufwand und die Aufregung im Vorfeld.
So wirklich komme ich auf meinen zwei Rädern nie ins Rennen … ich denke immer wieder an Rabeas Nachricht am Vorabend, die mir positive Gedanken in nicht so guten Momenten wünschte… diese brauche ich heute wirklich, und versuche mich immer wieder hochzuziehen. Das gelingt mir vor dem steilsten Stück nach der Schwarzwaldalp für einen kurzen Moment, als ich mit einen Athleten aus meinem Verein meines Erasmusjahres 2006 in Aix en Provence erkenne und mit ihm ein Stück zurücklege. Wie schön, der Verein Triathl’Aix, dessen Maillot ich beim ersten Mal Kona trug, super, ein paar „Aixer“ nach einem Wiedersehen in Roth vor ein paar Jahren gerade hier wieder zu treffen.
Jetzt noch den Mountainbike-Part überleben
Auch wenn mich die Abfahrt nach Grindelwald vor lauter Kälte killt, bin ich froh, aufs Bike wechseln zu dürfen und merke schon beim Laufen in die Wechselzone, dass meine Beine eigentlich gar nicht müde sind.
Beim Biken tut mir jedoch der Rücken höllisch weh, das einzige Stück, das mir riesig Spaß bereitet ist das letzte steile Stück am Fuße des Eigers, kurz vor der kleinen Scheidegg. Oben lassen wir eine schier endlose Zahnradbahn passieren und stürzen uns die Abfahrt hinunter. … nein leider Wunschdenken… leider bremse ich eher viel zu viel, vor allem im etwas nass gewordenen Waldstück. Fast schon schäme mich und trete ab Lauterbrunnen wie blöd rein, um so schnell wie möglich die Laufschuhe anzuziehen. Als 12. stelle ich das Bike ab, laufe als 11. los und merke sofort, jetzt bin ich im Rennen angekommen, es läuft.
Ich habe das Gefühl, vorher nicht Rad gefahren zu sein und genieße es, einfach zu laufen. Bevor es in den Anstieg geht, schickt mich Rabea noch einmal ihre Anfeuerung mit auf die Reise nach oben. Später, in Mürren angekommen, steppt der Bär und auch meine Eltern, Joël und Elenas Mutter feuern mich an. Bis Mürren muss man bereits 16 Kilometer und einige Höhenmeter zurückzulegen. Noch nie hatte sich dieser Part so kurz angefühlt, ich bin ungläubig, weiß aber, dass ich mich nicht übernehmen darf, denn das Stück ab Mürren ist der härteste Part und gleichzeitig mein Lieblingsteilstück des gesamten Wettkampfes. Hier wird es richtig steil. Schafe sind zahlreich am Streckenrand vertreten und es dominiert diese ruhige, von Demut und Respekt vor dem alpinen Gelände geprägte Stimmung, die ich vom Start ab beim Inferno so schätze. Das verbindet die Athleten, und das macht den unbeschreiblichen Reiz des Rennens aus, den man sonst bei Triathlon-Rennen nur selten findet.
Wenn’s einfach läuft …
Seit dem Wechsel in Stechelberg war auch mein Wettkampfgeist wieder erwacht und ich hatte mich allmählich auf Platz 7 vorgelaufen und habe dabei auch etliche orangefarbene Startnummern, sprich männliche Singlestarter. Das motiviert zugegebenermaßen. Ich habe nur noch positive Gedanken und ein breites Grinsen im Gesicht als Joël 500m unterhalb des Schilthorns plötzlich im Nebel auftaucht. Und „schon“ bin ich oben, und darf die legendären Stufen zur Bergstation des „Piz Gloria“ erklimmen. Oben wartet mein Vater. Ich freue mich einfach, auch wenn ich mich später noch mal kurz ärgere, dass das Podest gar nicht so weit weg war… auf Podestverpassen bin ich dieses Jahr spezialisiert… werden dieses Jahr sogar die ersten sechs Damen aufs Podium der Gesamtwertung gebeten. Dennoch darf ich noch neben zwei ganz großen Damen des Ausdauersports aufs Podium steigen – wenn auch nur in der Altersklassenwertung: Nina, die das Rennen zum siebten Mal gewonnen hatte und Ricarda, die mit diesem wunderschönen Tag und Platz 3 gesamt ihre beeindruckende Triathlonkarriere beendete. Chapeau!
War es nun meine letzte Langdistanz – und damit mein letzter Inferno? Ich hatte im Vorfeld und auch noch im Wettkampf zu Beginn so ein Gefühl, aber der Inferno hat mich mal wieder wie magisch in seinen Bann gezogen und so werde ich, wie viele Wiederholungstäter, wohl nächstes Jahr wiederkommen
Text: Simone Schwarz
Fotos: privat / Schwimmstartbild – swiss-image.ch/Photo Remy Steinegger