Warum ein Bikefitting nicht nur etwas für Profis ist, sondern für mehr Komfort und weniger Verletzungen auf dem Fahrrad sorgt, weißt Christina Röhrenbeck.
Über Sinn und Zweck eines Bikefittings wurde schon viel diskutiert und geschrieben. Als ich mir mein Triathlonbike kaufte, war auch für mich klar, dass es – soweit das möglich ist – perfekt auf mich und meine Bedürfnisse eingestellt werden sollte. Dabei war mir in erster Linie noch nicht einmal diese ominöse Aerodynamik wichtig, sondern vor allem Komfort über die Radstrecke einer Mitteldistanz und Sitzposition im Hinblick auf den darauf folgenden Halbmarathon.
Mein Triathlonbike, das Orbea Ordu M 35 Special Edition, habe ich mir Ende 2017 als Belohnung zum Finish des Frankfurt Marathons gekauft. Auch hier waren mir keine High End-Komponenten wichtig, sondern ein Rad, das ich beherrschen kann und das zu mir passt. Bis zum Zeitpunkt des Bikefitting bin ich das Rad auch lediglich auf der Rolle gefahren – besser als nichts.
Das Bikefitting: Erstmal ohne Bike
Gefittet wurden mein Triathlonrad und ich von Gregor Karnowski vom physio.lab/Reha Aktiv in Ettlingen bei Karlsruhe. Gregor ist selbst Triathlet und nutzt das Bikefittingsystem von gebioMized.
Zunächst einmal startete das Bikefitting ohne „Bike“ und ich selbst wurde unter die Lupe genommen. Wie weit bin ich dehnbar? Was kann mein Körper leisten? Wie sind meine allgemeinen Voraussetzungen? So wurde ich und meine Dehnbarkeit gründlich unter die Lupe genommen und beispielsweise auch im Stehen die Haltung in der Aeroposition simuliert, um nachher auf dem Rad abschätzen zu können, welche Position für mich und meine körperlichen Voraussetzungen die richtige ist. Deutliches Verbesserungspotential tat sich auf…
Danach waren meine Radschuhe dran. Denn auch die gehören zum System Radfahrer und sind Teil eines kompletten Bikefittings. Hier geht es vor allem um die Position der Cleats, um optimale Kraftübertragung zu erreichen und Knieprobleme zu vermeiden. Mit Hilfe einer Schablone, die die Schuhachse nachzeichnet, konnte so die beste Position der Cleats unter dem Schuh bestimmt werden – auch hier kam Gregors Erfahrung als Radsportler und Bikefitter mir sehr zu Gute: jeder Schritt und jede Veränderung wurde genau erklärt, so dass ich Sinn und Zweck gut nachvollziehen konnte. Auch, warum man bei einem Bikefitting sehr viel weniger Zeit auf dem Sattel verbringt, als angenommen.
Das Bikefitting am Bike
Dann (endlich) durfte ich auf mein Fahrrad. Ich hatte zunächst wirklich angenommen, dass so ein Bikefitting quasi einer Trainingseinheit auf der Rolle ähneln würde – es war aber deutlich weniger anstrengend und hatte fast schon etwas „akademisches“. Schritt für Schritt nähert man sich während des Prozesses der eigenen optimalen Sitzposition. Verschiedene Messpunkte am Körper (Schulter, Hüfte, Ellbogen, Knie) wurden zunächst markiert, sodass Veränderungen in der Position bei einer erneuten Videoaufnahme sichtbar werden konnten.
Schrittweise machte sich Gregor nun daran, eine Position für mich zu finden, die zum System Christina – Orbea Ordu passt. Immer wieder wurden anhand der Videoaufnahmen kleinere Änderungen vorgenommen und Sattel, Lenker usw. millimeterweise verändert.
Rein rechnerisch kann es natürlich so sein, dass die Veränderung eines bestimmten Körperwinkels eine entsprechende Verbesserung zur Folge hat. Dennoch ist nicht alles beim Bikefitting ein Zahlenspiel und Erfahrung und Intuition sowie Zusammenarbeit zwischen Bikefitter und Athlet sind essentiell. Wichtig ist hier auch immer die Rückmeldung, die man selbst geben kann. So hatte ich beispielsweise meinen Lenker etwas schräg angestellt, um in Abfahrten einen besseren Griff an den Basebars zu haben – auch dem wurde Rechnung getragen.
Satteldruckmessung beim Bikefitting
Kein Bikefitting ist vollständig, ohne die Ergebnisse einer Satteldruckmessung miteinzubeziehen – hier geht es um die Druckverteilung, die der Körper auf den Sattel ausübt (und aushalten muss). Die Satteldruckmessung ist eine Stellschraube wie so vieles andere beim Bikefitting auch – und muss auch immer im Verhältnis des kompletten Fittings gesehen werden, denn auch hier können sich Änderungen für andere Parts des Bikes ergeben. Ich saß mit einer Links-Tendenz auf meinem Sattel (was am Abrieb des Sattels schon vorher zu erkennen war), auch war mein Sattel etwas zu hoch eingestellt. Um Knieproblemen vorzubeugen und mich mit gleichmäßig verteilenden Druck auf den Sattel auf den Sattel setzen zu könne, wurde eben dieser etwas tiefer eingestellt und die Neigung korrigiert.
Bikefitting für Jedermann/Jederfrau?
Immer wieder sind es natürlich die Sitzpositionen der Profi-Triathleten auf ihren Bikes, an denen wir alle uns orientieren und die wir versuchen, nachzubauen. Für uns „Normalos“ hat ein solches Bikefitting allerdings einen anderen Anspruch. Lohnt es sich also, wenn nicht unbedingt Wattwerte und optimale Aeroposition im Vordergrund stehen? Aus meiner Sicht: Ja, definitiv. Sinnvoll für Triathlon-Jedermänner und -frauen, die auf einem Zeitfahrrad unterwegs sind, ist ein professionelles und kundiges Bikefitting allemal. Hierbei stehen allerdings eher andere Faktoren, wie eigene Voraussetzungen, Komfort versus Aeroposition, Verletzungsprophylaxe und nicht zuletzt das Anpassen auf den jeweiligen Athleten im Vordergrund.
In der zweiten Triathlondisziplin verbringt man in Training und Wettkampf die meiste Zeit – gerade deshalb macht es umso mehr Sinn, sich an einen erfahrenen Bikefitter zu wenden und das Rad auf die eigenen Voraussetzungen optimal anzupassen.
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Text: Christina Röhrenbeck alias die Rennschnecke
Fotos: Privat