Gestatten, ich bin Melanie Schipfer, Mitte dreißig. Die Diagnose Diabetes mellitus Typ 1 erhielt ich am 24.06.1996. Ein paar Tage später fand ich mich im Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim wieder.
Mit zwei Pens bewaffnet und mit jeder Menge Wissen in Sachen Diabetes wurde ich drei Wochen später entlassen und stürzte mich in mein „neues“ Leben. Von Anfang an war klar: Ich wollte mich von der Krankheit nicht einschränken lassen. Egal, ob bei stundenlangen Tanzpartys oder Discobesuchen, der Diabetes war immer mit dabei. Auch Sport war schon immer Teil meines Lebens. Die für mich richtige Disziplin fand ich 2009 über einen Studienfreund, den ich zu einem Marathon begleiteten durfte. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, den Hamburg-Marathon zu laufen, und ich wollte ihn an der Strecke unterstützen und anfeuern.
Doch es kam anders: Ich entschloss mich, nach ausreichender Vorbereitungszeit mit ihm an den Start zu gehen. Läuferisch coachte mich mein Laufpartner souverän über die 42,195 Kilometer, die wir nach 4:26:51 Stunden hinter uns gebracht hatten. Im Ziel angekommen, war ich von Endorphinen berauscht, vollkommen glücklich und endgültig vom Sportvirus infiziert. Eben dieser Laufpartner war es auch, der mich etwas später zum Triathlon brachte.
Alles ist möglich
Inzwischen blicke ich auf einige 10-Kilometer-Läufe, fünf Halbmarathons, sieben Marathons sowie einen Ultralauf über 50 Kilometer zurück sowie auf drei Sprint-Distanzen, sechs Olympische Distanzen und jeweils fünf Mittel- und Lang-Distanzen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, Sport und Diabetes funktioniert und macht glücklich. Neben der Teilnahme an organisierten Wettkämpfen liebe ich vor allem die Herausforderung, mich neuen Abenteuern zu stellen, bei denen ich vorher nicht so ganz sicher sein kann, ob ich sie auch tatsächlich bewältigen kann: So schwamm ich beispielsweise mit einem Begleiter von Lindau nach Bregenz durch den Bodensee und fuhr anschließend mit dem Rennrad über die Alpen. Ein anderes Mal radelte ich am Semesterende alleine in drei Tagen mit dem Rucksack und einer Landkarte im Gepäck auf dem Rennrad von Halle/Saale nach Stuttgart und besuchte auf dem Weg Freunde, die ich lange nicht gesehen hatte. 2012 fuhr ich spontan in einer Hau-Ruck-Aktion mit dem Rennrad allein von Kirchheim Teck über die Schwäbische Alb nach München, feuerte sonntags eine Freundin in Erding beim Triathlon an und fuhr montags dieselbe Strecke wieder zurück.
Mein ständiger Begleiter
Seit 2003 bin ich Insulinpumpenträgerin, und seit 2012 verwende ich gerade bei langen Trainingseinheiten und bei längeren Triathlonwettkämpfen die Pumpe in Kombination mit einem CGM-System. Ich betrachte Triathlon als Herausforderung. Es macht mir Spaß, mich zu überwinden, mich Herausforderungen zu stellen und meine Grenzen auszuloten, gemeinsam mit Freunden oder alleine in einem Wettkampf „den inneren Schweinehund“, die eigene Trägheit, zu überwinden. Dank der heutigen Technik ist es Diabetikern möglich, viel mehr an Freiheiten zu genießen als noch vor einigen Jahren. Man benötigt nur den Mut, diese auch wahrzunehmen. Klar, dass es auch mal nicht so gut läuft. Kein Tag ist wie der andere, Misserfolge und Fehltritte gehören dazu. So kommt es auch heute immer wieder mal vor, dass ich mit meinem Freund zu einem langen Lauf starte und nach 30 Minuten die ersten Gummibärchen brauche und den Lauf mit vor lauter Gummibärchen flauem Magen beende. Aber auch das gehört dazu. Rücksprachen mit dem Arzt und der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen ermutigen mich. Das hilft mir, neue Ideen und Anreize auszuprobieren, Misserfolge zu reflektieren und es von Neuem zu versuchen. Sport ist für mich ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, den ich nicht mehr missen möchte. Dass es für Sportler mit Diabetes einige Regeln mehr zu berücksichtigen gibt als für Sportler ohne Diabetes, steht außer Frage. Dazu gehört regelmäßiges Blutzuckermessen und Hypo-KEs. Auch ein regelmäßiges Protokollieren ist für mich wichtig. Nur so behalte ich den Blutzucker-Verlauf im Blick und die Therapie im Griff. Mit zunehmender Erfahrung entwickelt man ein Gefühl dafür, wie hoch die Basaltrate für die jeweilige Einheit und Tagesform sein muss, was gegessen werden sollte und ab wann man gegensteuern muss.
Trainingstipps für Diabetiker
Das Schwimmen stellt für viele Diabetiker den problematischsten Teil des Trainings dar, denn es ist nicht nur sehr energieintensiv, sondern der Diabetiker nimmt die Signale des Körpers während eines Trainingsprogramms möglicherweise nicht so schnell wahr. Umso wichtiger ist es, das Schwimmtraining auch korrekt vorzubereiten, eine Stunde vor dem Training schon einmal eine Messung durchzuführen und entsprechend des Ergebnisses etwas zu essen. Dabei darauf achten, den Magen nicht zu sehr zu belasten. Jetzt ist auch für den Pumpenträger der richtige Zeitpunkt, die Insulingabe zu reduzieren – je nach Art des Insulins würde die Wirkung circa ein bis zwei Stunden nach der Zuführung ihren Höhepunkt erreichen. Während der ersten Trainingseinheiten sollte ein Messgerät und Traubenzucker immer in der Nähe sein. Übrigens: Es gibt Diabetiker, die eine wassertaugliche Pumpe haben, die meisten Betroffenen bevorzugen es aber, die Pumpe im Wasser abzulegen, was für einen maximalen Zeitraum von zwei Stunden funktioniert.
Beim Radfahren gibt es kein Falsch und kein Richtig. Einfach nach Lust und Laune beziehungsweise nach körperlicher Verfassung und Fitness die Route planen. Langsam anfangen, langsam steigern und jeden Fortschritt genießen. Bei Ausdauerbelastungen ist es wichtig, regelmäßig den Blutzucker zu messen, bei wenig Trainierten oder Unerfahrenen circa halbstündlich. Der Muskelauffülleffekt und die erhöhte Insulinwirkung nach einer Ausdauerbelastung können sich zudem noch bis in die Nacht oder weit in den nächsten Tag hineinziehen. Deshalb ist es nicht nur erforderlich, die Insulindosis vor und während der Belastung zu reduzieren, sondern nach Extrembelastungen häufig sogar noch am folgenden Tag. Parallel dazu sollte die Kohlenhydratzufuhr gesteigert werden, um die entleerten Zuckerspeicher von Muskulatur und Leber wieder aufzufüllen. Aufgrund der (meist) relativ geringen Intensitäten und der guten Möglichkeit, eine drohende Unterzuckerung wahrzunehmen, ist das Radfahren die für mich problemloseste Triathlondisziplin. Wer einen Pen, Traubenzucker, Gel, Riegel, Luftpumpe, Blutzuckermessgerät, etwas Geld und ein Telefon mitführt, ist eigentlich immer auf der sicheren Seite.
Das Laufen ist aufgrund seiner Intensität in Sachen Insulineinstellung noch sensibler als das Radeln, deshalb sollten Blutzucker-Messungen zur Kontrolle auch häufiger durchgeführt werden. Und wer ambitioniert trainiert, sollte unbedingt eine Leistungsdiagnostik auf dem Laufband und Ergometer machen, damit die Insulingabe auf die Pulsbereiche und Intensitäten genau abgestimmt werden kann.
Text: Melanie Schipfer
Fotos: Privat
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