Anja Ippach sagt dem Profisport Goodbye

Profi-Triathletin Anja Ippach sagt auf Wiedersehen

Ende des letzten Jahres gab Profi-Triathletin Anja Ippach ihr Karriereende bekannt. Dem Triathlonsport wird die 37-Jährige dennoch nicht ganz den Rücken kehren.

Warum sie sich entschieden hat, den Profisport an den Nagel zu hängen und was sie ihn ihrer Karriere erlebt hat, lest ihr hier.

Anja, mit 37 Jahren hast du dich nun endgültig nach der Geburt deiner Tochter im Mai 2020 dazu entscheiden, dein Triathlon-Equipment an den Nagel zu hängen. Was waren für dich die Gründe, nun definitiv dem Leistungssport den Rücken zu kehren?Der Grund meine Karriere zu beenden, ist meine Tochter. Ich sehe keine Möglichkeit als Profi-Triathletin meiner Mutterrolle, wie ich sie mir vorstelle und für meine Tochter wünsche gerecht zu werden. Gerade in den ersten drei Jahren ist man als Mama sehr wichtig und wie ich finde unersetzbar für sein Kind. Nach zehn Jahren Profisport weiß ich, Triathlon als Profisport mehr als ein Fulltime-Job ist. Mutter sein und Profisportlerin lässt sich für mich persönlich nicht vereinbaren.

Triathletin Anja Ippach mit ihrer kleinen Tochter

Anja, wie schwer fällt es dir tatsächlich dem Profisport Goodbye zu sagen?
Ich habe eineinhalb Jahre gebraucht, um die Entscheidung zu treffen. Direkt nach der Geburt meiner Tochter, dachte ich, dass das Gefühl, ständig für sie da sein zu wollen, irgendwann abflacht. Das Gegenteil war der Fall. Sie ist mir wichtiger, als alles andere auf der Welt. Trotzdem musste ich mir 18 Monate Zeit nehmen, um das Kapitel “Leistungssport“ endgültig abzuschließen. Der Profitriathlon war ein großes und wichtiges Kapitel in meinem Leben, aber die Entscheidung fühlt sich genau richtig an.

Ich muss zugeben, dass mir mein jetziger Alltag manchmal schon etwas komisch vorkommt.  Auf einmal habe ich viel mehr Zeit und bin viel zu Hause. Besonders skurril ist für mich, wenn ich ins Schwimmbad gehe, ohne zu schwimmen, sondern im Kinderbecken sitze, rutsche und danach mit meiner Tochter ein Eis esse. Für die meisten Mamas ist das ganz normal. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen. Sport mache ich jetzt nur noch aus reiner Freude und ganz ohne Leistungsdruck. Das ist wundervoll.

 „Ich durfte die Welt bereisen und habe mich durch den Sport selbst besser kennengelernt. Es war ein privilegiertes, aber auch ein sehr anstrengendes Leben und der Leistungsdruck war ein ständiger Begleiter. Das ist mir heute noch viel bewusster als während meiner Karriere.“ Anja Ippach, Ex-Profitriathletin

Was wird dir immer im Gedächtnis bleiben und dir ein Lächeln ins Gesicht zaubern?
Es gibt so viele Dinge, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern und mein Herz hüpfen lassen. Besonders gerne denke ich an die gemeinsamen Trainingslager mit meinen Freundinnen Anja Knapp, Daniela Bleymehl und Cat Jameson zurück. Wir haben so viel gelacht. Meistens über uns. Viel und hart trainiert und manchmal auch geweint. Der Sport hat uns fürs Leben verbunden. Das ist ein sehr großes Geschenk.

Du hast in deiner Mutterrolle eine neue Erfüllung gefunden, fehlen die trotzdem etwas besonders?
Das einzige was mir am Triathlon Lifestyle wirklich fehlt, ist die Sonne. Der deutsche Winter ist für mich schon sehr lang, kalt und dunkel. Die vielen Trainingsstunden vermisse ich hingegen nicht.  Ganz im Gegenteil irgendwie habe ich mich da immer sehr einsam gefühlt- heute bin ich froh, dass ich meinen kleinen Sonnenschein nun immer um mich haben kann und nicht alleine bin. Mit ein bis zwei Stunden Sport am Tag bin ich heute sehr happy und fühle mich wohl.

Welcher Triathlonmoment ist rückblickend der schönste gewesen und auf welchen hättest du gerne verzichtet?
Es ist schwer zu sagen, welcher Moment der Schönste war. Es gibt viele, aber mein erster Ironman-Sieg in der Schweiz war wirklich etwas ganz Besonderes für mich. Ich fühlte mich bestätigt und war im Profitriathlon angekommen.

Verzichtet hätte ich gerne auf einige sportliche Niederlagen. Sehr schmerzhaft und schwierig waren für mich die zwei DNFs auf Hawaii. Ich hatte immer viel Training, Schweiß und Geld investiert und auf vieles Verzichtet, um dann beim wichtigsten Rennen der Triathlonszene zu scheitern und mit leeren Händen nach Hause zu fliegen.

Würdest du alles wieder genauso machen oder gibt es Dinge, nach dem Motto „hinterher ist man immer schlauer“, die du heute anders machen würdest oder hat sich vielleicht auch einfach der Triathlonsport in den letzten Jahren gewandelt?

Ich würde viele Dinge heute anders machen und mit jedem Rennen und jedem Profijahr habe ich mehr über den Sport und vor allem über mich gelernt. Ich hätte nicht so viel an mir zweifeln und nicht so hart mit mir ins Gericht gehen sollen. Irgendwie schien ich niemals zufrieden weder mit meiner Leistung noch mit meinem Körper. Ich habe mich häufig schlecht gefühlt und konnte meinen eigenen Zielen selten gerecht werden.

Heute würde ich meinen Weg zum Erfolg bereits „feiern“ und wäre einfach etwas lockerer.

Der Triathlonsport hat sich in den letzten Jahrzehnten auf jeden Fall sehr stark verändert. Heute reicht es nicht mehr, nur ein sehr guter Triathlet/-in zu sein, sondern man muss auch ein guter Influencer sein. Es ist ein Geschäft um Follower, Likes und das beste Selfie. Der Vorteil ist, man kann sich und seine Sponsoren das ganze Jahr präsentieren und nicht nur auf den Wettkämpfen. Allerdings muss man auch viel Zeit für Fotos und Posts investieren und die Diskrepanz zwischen der Social Media Welt und dem wirklichen Leben finde ich dabei durchaus schwierig.

„Die Leistung bei den Frauen sehr viel dichter geworden. Man braucht mittlerweile wirklich ein gutes Experten-Netzwerk. Profis, die nicht nur das Rad im Windkanal tunen, sondern auch das Training, sowie Regeneration und Ernährung optimieren. In diesem Optimierungswahnsinn ist es schon schwierig geworden, locker zu bleiben und nicht die Freude am Sport und den Kontakt zu sich selbst zu verlieren.“

Du möchtest künftig mit deiner neuen Leidenschaft als Gründerin und Coach der „Triathlon Mädchen“ dein Wissen und deine Erfahrung an interessierte Frauen weitergeben. Wie dürfen wir uns das vorstellen? Was genau hast du geplant? Und warum möchtest du dich auf Frauen spezialisieren?

Erst jetzt im Nachhinein merke ich, wie viel Wissen und Erfahrung ich in den letzten 20 Jahren sammeln durfte. Eigentlich hatte ich nicht den Plan, nach meiner Karriere Coach zu werden. Durch die Gründung einer kleinen Community, die sich Triathlon Mädchen nennt, habe ich gemerkt, wie viel ich weiß und vor allem, wie viel Freude es mir bereitet, mit meinen Erfahrungen anderen zu helfen und die Freude für den Sport zu teilen.

Anja Ippach zeigt eine Rumpf-Stabi-Übung

Wie ist diese Idee entstanden?
Entstanden ist die Idee im ersten Corona-Lockdown. Ich habe mir überlegt, was ich dazu beitragen könnte, um die aktuelle Lage ein bisschen zu verbessern. Naja, du kannst Triathlon habe ich mir gedacht. Also habe ich anfangs kostenlos ein Athletik-Kraft-Workout für Frauen für zu Hause via Zoom angeboten. Auf Nachfrage und Wunsch der Teilnehmerinnen habe ich dann dieses wöchentliche Workout weitergemacht. Heute sind wir im zweiten Jahr und nicht nur unser Fitnessequipment für zu Hause, sondern auch alle Mädels haben sich mega verbessert. Ein Sonntagmorgen ohne meine Triathlon Mädchen kann ich mir nur noch schwer vorstellen.

Seit Anfang des Jahres biete ich neben dem Gruppencoaching, auch Personal Training für Frauen an. Dabei schreibe ich nicht nur die Trainingspläne, mir sind vor allem die Themen Ernährung, Selfcare und Work-Life Balance wichtig. Natürlich möchte ich, dass sich meine Athletinnen verbessern und ihre Ziele erreichen, aber noch wichtig ist mir, der Weg dahin. Der Sport soll ihnen Freude bereiten und mehr Energie in ihr Leben bringen. Mental und menschlich sollen sie wachsen und sich nicht mit dem Sport kaputt machen.

Ich finde bei Frauen spielt die ganzheitliche Betreuung meist eine größere Rolle und hier kann ich meine Erfahrungen besser weitergeben, daher habe ich mich auf das Coaching von Frauen spezialisiert.


Und noch ein Tipp: Wie schafft man es, immer Freude am Sport zu haben und immer neugierig gegenüber neuen körperlichen Herausforderungen zu bleiben.
Körperliche Bewegung ist für mich ein natürliches Bedürfnis. Sport schafft Mehrwert hinsichtlich Gesundheit, Wohlfühlen und sozialen Kontakten. Die Freude kommt automatisch, wenn man sich nicht unter Druck setzt. Ich glaube es ist uns Menschen in die Wiege gelegt, neugierig zu bleiben und sich immer wieder neu herauszufordern. Mit jeder Herausforderung gehen ein Wachstum und viele neue Erfahrungen einher. Manchmal braucht es nur ein bisschen Mut oder ein Umfeld, das einen ermutigt, mit Sport zu beginnen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für deine Zukunft, Anja.

Interview: Meike Maurer
Fotos: privat