Stell dir vor, du hörst Umweltgeräusche ständig nur verzerrt. Kein schönes Gefühl. Jessica Fander kennt das mittlerweile nicht mehr anders. Während des Studiums merkte sie, wie sie immer schlechter zu hören begann. Heute wäre sie ohne ihre Hörimplantate komplett taub. Triathlon macht sie trotzdem, auch wenn es einiges zu beachten gilt.
Wie Jessica zum Triathlon kam, ist eine fast schon lustige Geschichte, denn die 25-Jährige mochte vor dem ersten Corona-Lockdown Sport nicht besonders. Ohne große Vorbereitung und recht spontan absolvierte sie ihren ersten Triathlon – einen Sprinttriathlon in Heilbronn. Nun hat sie Lunte gerochen. Welche Rolle ihre Freundin Johanna Bernutz in Bezug auf ihr Hörimplantat und in Sachen Triathlon spielt, erfahrt ihr jetzt.
Johanna Bernutz ist Hörakustikerin in Karlsruhe. Jessica lernte sie als Kundin kennen. „Jessica kämpfte damals mit einem zunehmenden Hörverlust, war hörtechnisch mit ihrem Hörgerät ziemlich unterversorgt und dadurch auch recht introvertiert und unsicher“, erklärt Johanna. Heute verbindet die beiden nicht nur ihr gemeinsames Hobby Triathlon, sie sind auch Freundinnen. Zudem weiß auch Johanna, wie es ist, schlecht zu hören, denn sie trägt selbst ein Hörsystem.
Was bedeutet es, schlecht oder gar nicht zu hören
Wie funktioniert unser Gehör? Wir besitzen fünf Sinne, das Hören ist einer davon. Der Hörsinn ist nicht nur für das Wahrnehmen von Geräuschen, Stimmen und Tönen zuständig, sondern spielt auch bei unserem Gleichgewicht eine nicht unerhebliche Rolle. Das Gehör ermöglicht, aktiv am Leben teilzunehmen. Durch unser Gehör hören wir Sprache, Töne wie Umweltgeräusche und nehmen Emotionen wahr.
So funktioniert hören
Durch Luft wird Schall zum Ohr getragen und gelangt in das Gehör. Schall wird wie durch einen Trichter durch die Ohrmuschel aufgefangen. Der Gehörgang leitet den Schall zum Trommelfell, welches den Schall in Schwingungen umwandelt. Die Schwingungen werden über die Gehörknöchelchen zum Innenohr, in dem sich Flüssigkeit und Haarsinneszellen befinden, übertragen. Werden die Haarsinneszellen in Bewegung versetzt, wird ein Sinnesreiz ausgelöst. Anschließend erfolgt die Weiterleitung des Reizes zum Gehirn über den Hörnerv. Das Gehirn verarbeitet die Nervensignale zu Hörempfindungen und ermöglicht so zu hören (Quelle: www.einfacher-hoeren.de).
Johanna beispielsweise hört mit ihrem Hörsystem ganz normal. Beim Radfahren und Laufen im Training trägt sie es. Beim Schwimmen nie und auch beim Wettkampf lässt sie es weg, weil es beim Kontakt mit Wasser schnell kaputt gehen kann. „Ohne meine Hörhilfe unterwegs zu sein, ist schon ein etwas komisches Gefühl, aber es geht“, sagt Johanna.
Bei Jessica ist es etwas anders. Bei ihr funktioniert die Weiterleitung der Sinnesreize über die Nerven zum Gehirn nicht mehr. Sie hört ohne Hörsystem gar nichts mehr und selbst mit Implantat musste sie das Hören neu lernen, da sie nun „mechanisch“ hört, was für Normalhörende sehr verzerrt, elektrisch und robotermäßig klingt.
„Ich habe 2019 mein erstes Hörimplantat bekommen und 2021 im November mein Zweites.“
Jessica Fander
Zwei Hörimplantate wurde ihr in den Kopf operiert. Zusammen mit den sogenannten Soundprozessoren, die außen am Ohr magnetisch am Implantat befestigt werden, wird ermöglicht, dass Jessica wieder etwas hört. Die Hörimplantate sind zwei Spulen, von denen Elektroden ins Innenohr führen. Dort geben sie Stromimpulse ab und stimulieren dadurch den Hörnerv.
Wasserdichte Hörimplantate gibt es nicht. „Es gibt zwar Schutzhüllen für die Soundprozessoren, aber diese schränken zum einen das Hören ein und zum anderen weiß man genau, wenn doch Wasser eintreten sollte, ist das Hörsystem futsch. Daher schwimme ich im Training und im Wettkampf ohne Soundprozessoren,“ erklärt Jessica.
Ich will das auch machen!
Auch Johanna ist noch ein Triathlon-Neuling und bezeichnet sich selbst mit viel Selbstironie als „Triathlon Kartoffel“ auf Instagram. „Ich habe ein paar Kilos mehr auf den Rippen, aber das hindert mich nicht daran, viel Freude beim Sport zu haben“, sagt die Karlsruherin.
Als Jessica mitbekommt, daß Johanna sich für einen Triathlon angemeldet hat, findet sie die Idee so gut, dass sie sich spontan ebenfalls für ein Sprintrennen anmeldet und bei Johanna mit Trainingstipps und einem Probewettkampf Unterstützung findet. Wie geht wechseln? Wie zieht man einen Neo an und was trage ich darunter? Welches Fahrrad nehme ich am besten …. und das waren nur einige der Fragen, die geklärt werden mussten. Auch der Support am Renntag war schnell zugesichert.
„Ich mach erst seit der Corona-Pandemie Sport. Davor mochte ich Sport nicht besonders.“
Jessica Fander
Wohin mit den Soundprozessoren
Die wichtigste Frage war allerding, wohin mit den Soundprozessoren während des Schwimmens.
„So ein Hörimplantat kostet rund 10.000 Euro, daher legt man die dazugehörenden Soundprozessoren nicht eben in die Wechselzone. Zumal sie schnell kaputt gehen können“, sagt Jessica.
Kurzerhand wurde der Veranstalter angeschrieben und gefragt, ob es möglich wäre, dass Johanna am Schwimmausstieg stehen könnte, um die teuren Stücke zu übergeben. Die Erlaubnis kam prompt. Nun stand dem Projekt „Mein erster Triathlon nichts mehr im Wege“.
„Als Kind habe ich normal gehört. Heute kann ich mich selbst mit zwei Hörimplantaten nicht mehr in lauten Bars oder Restaurants unterhalten. Was auch nicht geht, sind Ballsportarten. Ich höre kein Rufen, und kann auch nicht einordnen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt … aber Triathlon geht!“ Jessica Fander
Geschafft – den erst Triathlon erfolgreich gefinisht
Es hat geklappt. Ohne großen Trainingsaufwand hat Jessica ihre erste Sprintdistanz absolviert und auch
die Übergabe der Soundprozessoren nach dem Schwimmen dank Johanna hat super funktioniert.
„Im Wasser war es schon sehr anstrengend für mich, weil ich keine Erfahrung hatte. Beim Radfahren höre ich auch nicht so gut, weil für mich der Wind sehr laut ist. Das ist, wie wenn jemandem telefoniert, bei dem es gerade windig ist und fordert volle Konzentration. Beim Laufen war dann alles normal für mich. Es war hart, aber schön,“ so Jessica über ihre Triathlonpremiere. Das nächste Rennen steht in diesem Jahr auch schon fest, es wird das Hindernisrennen „Strong Viking“ in Frankfurt sein.
Das Fazit der beiden Triathlon-Einsteigerinnen lautet: Geht nicht, gibt es nicht. Wenn man Abenteuer sucht, kann man sie finden. Triathlon ist perfekt dafür – egal wie alt man ist und welche Hindernisse einem vielleicht im Weg stehen. Wenn man will, kann man alles erreichen.
Text: Meike Maurer
Fotos. privat
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