Die Leere nach meiner Triathlon-Langdistanz

Laura genießt

Letztes Jahr war Laura Behnke bei der Challenge Roth am Start. Es war ein sehr emotionaler Tag für sie und danach kam die große Leere. Wie geht es hier heute und wie sehen ihre sportlichen Pläne aus.

„Es ist absolut unbeschreiblich, was in diesem Moment in mir vorging. So viele Emotionen, so viel Freude, Erleichterung und auch ein bisschen Fassungslosigkeit, dass es jetzt wirklich geschafft und vorbei war.“

Mit diesen Worten beendete ich meinen letzten Bericht, in dem ich alles über meine erste gefinishte Langdistanz erzählt habe. Ein Jahr später ist das Ganze für mich manchmal immer noch total surreal. Mich erreichen auch heute noch Fragen zu meinem Langdistanzdebüt. „Wie viel hast du trainiert?“ „Wie ging es dir danach? Sowohl körperlich, als auch mental?“ „Wirst du es wieder tun?“ „Wie geht es jetzt weiter?“

Um all diese Fragen zu beantworten und euch daran teilhaben zu lassen, wie es mir mittlerweile nach dem Finish beim Challenge Roth 2021 geht, habe ich mal wieder in die Tastatur gehauen.

Die Tage nach meiner ersten Langdistanz

Es war verrückt, ich konnte selbst mehrere Tage nach dem Rennen nicht begreifen, dass ich es tatsächlich geschafft hatte. Körperlich ging es mir gut, viel besser als erwartet. Ich hatte ein bis zwei Tage leichten Muskelkater in den Beinen, aber keinerlei Schmerzen, Blasen oder Scheuerstellen, wie ich es von vielen zuvor gehört hatte. Das zeigte mir, dass mein Körper wirklich gut auf dieses Rennen vorbereitet war.

Mental sah die Sache anders aus. Während des Wettkampfs war ich fokussiert, wusste,  warum ich es tat und wollte unbedingt finishen. Für mich. Danach war ich allerdings völlig überfordert, hatte eine absolute Leere im Kopf und konnte mich nicht wirklich über das Geleistete freuen. Es war ein Gefühl, was ich selbst so nicht kannte und auch nicht beschreiben kann. Das große Ziel, auf das ich so lange hingearbeitet hatte, war auf einmal weg. Ja, es war geschafft und das besser, als gedacht. Und dennoch, wusste ich nichts mit mir anzufangen. Ich wartete auf das magische Gefühl danach, auf Zufriedenheit und Stolz. Es kam aber nicht. Am Anfang zumindest nicht.

Ich schaute mir immer wieder die Bilder und Videos vom Rennen an, um mich davon zu überzeugen: „Hey, du kannst stolz auf dich sein! Du hast es durchgezogen, du hast es gerockt. Jetzt freu dich verdammt nochmal endlich darüber!“

Drei Tage nach dem Rennen stieg ich das erste Mal wieder aufs Rad. Es war herrliches Wetter und auch wenn die Beine noch etwas müde waren, hatte ich Lust, mich zu bewegen. Kaum im Sattel, hatte ich wieder ein fettes Grinsen im Gesicht. Radfahren hilft einfach immer und macht immer glücklich. Zumindest mich. Ich drehte eine kleine Runde und genoß die Sonne. Bei der ersten kleinen Steigung merkte ich meine Oberschenkel und wurde wieder daran erinnert, was ich wenige Tage zuvor noch geleistet hatte. Stimmt, da war ja was. Im Nachhinein würde ich sagen, ab diesem Moment fing ich langsam an zu begreifen und zu verarbeiten.

Gefühlschaos

Zu Hause angekommen, musste ich weinen. Warum? Keine Ahnung. Die Tränen liefen nur so und ich wusste selbst nicht genau warum. Ich hatte immer wieder den Gedanken, mein großes Ziel ist weg. Das Ziel, das über zwei Jahre lang da war. Einfach abgehakt. Bis zum Schluss war es unklar, ob der Wettkampf überhaupt stattfinden können würde oder ob Corona wieder einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich glaube, auch diese mentale Anspannung, darf nicht unterschätzt werden.

Weitere Tage gingen ins Land. Ich trainierte nach Lust und Laune. Das war verrückt für mich. Über zwei Jahre verfolgte ich einen Trainingsplan, hielt mich so gut wie möglich daran und jetzt sollte ich wieder selbst entscheiden, wozu ich Lust hatte. Kann ich das überhaupt noch? Und kann ich überhaupt noch Schwimmen, Radfahren und Laufen, ohne ständig die Werte zu checken? Ich sag´s euch: Ich konnte es nicht! Das erste Mal nach dem Wettkampf im Schwimmbad, musste ich mich ständig daran erinnern, dass ich nur die Beine lockern wollte. Sprints waren nicht nötig. „Laura, du darfst das jetzt einfach mal genießen.“ Irgendwann habe ich das auch wieder begriffen.

Wochen später konnte ich irgendwann sagen: „Ja, ich bin stolz!“ Warum? Wie es dazu kam? Keine Ahnung. Vielleicht weil ich viele Gespräche führte, mit Menschen die diese Situation kannten und mich verstanden. Oder weil ich Gespräche führte mit Menschen, die  es überhaupt nicht verstanden und sich fragten: „Wie kann sie so etwas nur freiwillig tun?“

Wie geht es jetzt weiter?

Ich liebe Ziele.  Also musste ein neues Ziel her. Ich habe einen neuen Fokus gesetzt. Im Mai 2021 habe ich mit dem Studium zur veganen Ernährungsberaterin begonnen. Ich habe schnell gemerkt, dass es verdammt schwer ist, Vollzeitjob, Langdistanztraining, Alltagsstress und Fernstudium unter einen Hut zu bekommen. Auch mein Tag hat nur 24 Stunden und die Regeneration und gesundes Essen sollten natürlich auch nicht zu kurz kommen. Daher hat das Studium jetzt oberste Priorität und ich verbringe viel Zeit am Schreibtisch. Da ist immer noch ziemlich ungewohnt und verrückt, wenn man überlegt, dass ich vor einigen Monaten noch zehn bis 15 Stunden pro Woche trainiert habe. Die Bewegung fehlt mir sehr! Aber es fällt mir leichter, das ganze durchzuziehen, weil ich weiß 2023 habe ich ein neues Ziel. Ich werde mit einer Freundin beim Ironman in Frankfurt starten und hoffe, dass ich auch dort ein so gutes Rennen haben werde, wie in Roth.

Ab November 2022 starte ich hoffentlich sportlich wieder voll durch. Dabei werde ich wieder von meiner Trainerin Heidi Sessner begleitet. Ich bin mir sicher, sie wird wieder das Beste aus mir rausholen und wir werden eine Menge Spaß während der Vorbereitung haben. Denn eins ist sicher: Diesen Sport liebe ich auch nach dem großen Finish in Roth. Diesen Sport werde ich wahrscheinlich immer lieben und niemals damit aufhören.

Text: Laura Behnke
Fotos: privat

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.